Portrait de Georges Danton (1759 - 1794)
PERSONEN:
Deputierte des Nationalkonvents:
Georg Danton
Legendre
Camille Desmoulins
Hérault-Séchelles
Lacroix
Philippeau
Fabre d'Eglantine
Mercier
Thomas Payne
Georg Danton
Legendre
Camille Desmoulins
Hérault-Séchelles
Lacroix
Philippeau
Fabre d'Eglantine
Mercier
Thomas Payne
Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses:
Robespierre
St. Just
Barère
Collot d'Herbois
Billaud-Varennes
Robespierre
St. Just
Barère
Collot d'Herbois
Billaud-Varennes
Chaumette, Prokurator des Gemeinderats
Dillon, ein General
Fouquier-Tinville, öffentlicher Ankläger
Amar und Vouland, Mitglieder des Sicherheitsausschusses
Herman und Dumas, Präsidenten des Revolutionstribunales
Paris, ein Freund Dantons
Simon, Souffleur
Weib Simons
Laflotte
Julie, Dantons Gattin
Lucile, Gattin des Camille Desmoulins
Rosalie, Adelaide und Marion, Grisetten
Damen am Spieltisch, Herren und Damen sowie junger Herr und Eugenie
auf einer Promenade, Bürger, Bürgersoldaten, Lyoner und andere
Deputierte, Jakobiner, Präsidenten des Jakobinerklubs und des
Nationalkonvents, Schließer, Henker und Fuhrleute, Männer und Weiber
aus dem Volk, Grisetten, Bänkelsänger, Bettler usw.
ERSTER AKT
ERSTE SZENE
ERSTE SZENE
Hérault-Séchelles, einige Damen am Spieltisch. Danton, Julie etwas
weiter weg, Danton auf einem Schemel zu den Füßen von Julie.
Danton.-
Sieh die hübsche Dame, wie artig sie die Karten dreht! Ja wahrhaftig,
sie versteht's; man sagt, sie halte ihrem Manne immer das coeur und
anderen Leuten das carreau hin. - Ihr könntet einen noch in die Lüge
verliebt machen.
Julie. - Glaubst du an mich?
Danton.
- Was weiß ich! Wir wissen wenig voneinander. Wir sind Dickhäuter, wir
strecken die Hände nacheinander aus, aber es ist vergebliche Mühe, wir
reiben nur das grobe Leder aneinander ab - wir sind sehr einsam.
Julie - Du kennst mich, Danton.
Danton.
Ja, was man so kennen heißt. Du hast dunkle Augen und lockiges Haar
und einen feinen Teint und sagst immer zu mir: lieber Georg! Aber (er
deutet ihr auf Stirn und Augen) da, da, was liegt hinter dem? Geh, wir
haben grobe Sinne. Einander kennen? Wir müßten uns die Schädeldecken
aufbrechen und die Gedanken einander aus den Hirnfasern zerren.
Eine Dame (zu Hérault). - Was haben Sie nur mit Ihren Fingern vor?
Hérault.- Nichts!
Dame.- Schlagen Sie den Daumen nicht so ein, es ist nicht zum Ansehn!
Hérault. - Sehn Sie nur, das Ding hat eine ganz eigne Physiognomie.
Danton. - Nein, Julie, ich liebe dich wie das Grab.
Julie (sich abwendend). - Oh!
Danton.
Nein, höre! Die Leute sagen, im Grab sei Ruhe, und Grab und Ruhe seien
eins. Wenn das ist, lieg ich in deinem Schoß schon unter der Erde. Du
süßes Grab, deine Lippen sind Totenglocken, deine Stimme ist mein
Grabgeläute, deine Brust mein Grabhügel und dein Herz mein Sarg.
Dame. - Verloren!
Hérault. - Das war ein verliebtes Abenteuer, es kostet Geld wie alle andern.
Dame. - Dann haben Sie Ihre Liebeserklärungen, wie ein Taubstummer, mit den Fingern gemacht.
Hérault.
Ei, warum nicht? Man will sogar behaupten, gerade die würden am
leichtesten verstanden. - Ich zettelte eine Liebschaft mit einer
Kartenkönigin an; meine Finger waren in Spinnen verwandelte Prinzen,
Sie, Madame, waren die Fee; aber es ging schlecht, die Dame lag immer
in den Wochen, jeden Augenblick bekam sie einen Buben. Ich würde meine
Tochter dergleichen nicht spielen lassen, die Herren und Damen fallen
so unanständig übereinander und die Buben kommen gleich hintennach.
(Camille Desmoulins und Philippeau treten ein.)
Hérault.-
Philippeau, welch trübe Augen! Hast du dir ein Loch in die rote Mütze
gerissen? Hat der heilige Jakob ein böses Gesicht gemacht? Hat es
während des Guillotinierens geregnet? Oder hast du einen schlechten
Platz bekommen und nichts sehen können?
Camille. -
Du parodierst den Sokrates. Weißt du auch, was der Göttliche den
Alcibiades fragte, als er ihn eines Tages finster und niedergeschlagen
fand: »Hast du deinen Schild auf dem Schlachtfeld verloren? Bist du im
Wettlauf oder im Schwertkampf besiegt worden? Hat ein andrer besser
gesungen oder besser die Zither geschlagen?« Welche klassischen
Republikaner! Nimm einmal unsere Guillotinenromantik dagegen!
Philippeau.
- Heute sind wieder zwanzig Opfer gefallen. Wir waren im Irrtum, man
hat die Hebertisten nur aufs Schafott geschickt, weil sie nicht
systematisch genug verfuhren, vielleicht auch, weil die Dezemvirn sich
verloren glaubten, wenn es nur eine Woche Männer gegeben hätte, die
man mehr fürchtete als sie.
Hérault. - Sie möchten uns zu Antediluvianern machen.
St. Just säh' es nicht ungern, wenn wir wieder auf allen vieren kröchen,
damit uns der Advokat von Arras nach der Mechanik des Genfer Uhrmachers
Fallhütchen, Schulbänke und einen Herrgott erfände.
Philippeau. -
Sie würden sich nicht scheuen, zu dem Behuf an Marats Rechnung noch
einige Nullen zu hängen. Wie lange sollen wir noch schmutzig und
blutig sein wie neugeborne Kinder, Särge zur Wiege haben und
mit Köpfen spielen? Wir müssen vorwärts: der Gnadenausschuß muß
durchgesetzt, die ausgestoßnen Deputierten müssen wieder aufgenommen
werden!
Hérault.
- Die Revolution ist in das Stadium der Reorganisation gelangt. - Die
Revolution muß aufhören, und die Republik muß anfangen. - In unsern
Staatsgrundsätzen muß das Recht an die Stelle der Pflicht, das
Wohlbefinden an die der Tugend und die Notwehr an die der Strafe
treten. Jeder muß sich geltend machen und seine Natur durchsetzen
können. Er mag nun vernünftig oder unvernünftig, gebildet oder
ungebildet, gut oder böse sein, das geht den Staat nichts an. Wir alle
sind Narren, es hat keiner das Recht, einem andern seine eigentümliche
Narrheit aufzudrängen. - Jeder muß in seiner Art genießen können,
jedoch so, daß keiner auf Unkosten eines andern genießen oder ihn in
seinem eigentümlichen Genuß stören darf.
Camille.
- Die Staatsform muß ein durchsichtiges Gewand sein, das sich dicht an
den Leib des Volkes schmiegt. Jedes Schwellen der Adern, jedes Spannen
der Muskeln, jedes Zucken der Sehnen muß sich darin abdrücken. Die
Gestalt mag nun schön oder häßlich sein, sie hat einmal das Recht,
zu sein, wie sie ist; wir sind nicht berechtigt, ihr ein Röcklein
nach Belieben zuzuschneiden. - Wir werden den Leuten, welche über
die nackten Schultern der allerliebsten Sünderin Frankreich den
Nonnenschleier werfen wollen, auf die Finger schlagen. - Wir wollen
nackte Götter, Bacchantinnen, olympische Spiele, und von melodischen
Lippen: ach, die gliederlösende, böse Liebe! - Wir wollen den Römern
nicht verwehren, sich in die Ecke zu setzen und Rüben zu kochen,
aber sie sollen uns keine Gladiatorspiele mehr geben wollen. - Der
göttliche Epikur und die Venus mit dem schönen Hintern müssen statt
der Heiligen Marat und Chalier die Türsteher der Republik werden. -
Danton, du wirst den Angriff im Konvent machen!
Danton. -
Ich werde, du wirst, er wird. Wenn wir bis dahin noch leben! sagen
die alten Weiber. Nach einer Stunde werden sechzig Minuten verflossen
sein. Nicht wahr, mein Junge?
Camille.- Was soll das hier? Das versteht sich von selbst.
Danton. - Oh, es versteht sich alles von selbst. Wer soll denn all die schönen Dinge ins Werk setzen?
Philippeau. - Wir und die ehrlichen Leute.
Danton.
Das »und« dazwischen ist ein langes Wort, es hält uns ein wenig weit
auseinander; die Strecke ist lang, die Ehrlichkeit verliert den Atem,
eh' wir zusammenkommen. Und wenn auch! - den ehrlichen Leuten kann man
Geld leihen, man kann bei ihnen Gevatter stehn und seine Töchter an
sie verheiraten, aber das ist alles!
Camille. - Wenn du das weißt, warum hast du den Kampf begonnen?
Danton.
Die Leute waren mir zuwider. Ich konnte dergleichen gespreizte Katonen
nie ansehn, ohne ihnen einen Tritt zu geben. Mein Naturell ist einmal
so. (Er erhebt sich.)
Julie. - Du gehst?
Danton (zu Julie). - Ich muß fort, sie reiben mich mit
ihrer Politik noch auf. - (Im Hinausgehn:) Zwischen Tür und Angel will
ich euch prophezeien: die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen,
der Ofen glüht, wir alle
können uns noch die Finger dabei verbrennen. (Ab.)
können uns noch die Finger dabei verbrennen. (Ab.)
Camille. - Laßt ihn! Glaubt ihr, er könne die Finger davon lassen, wenn es zum Handeln kömmt?
Hérault. - Ja, aber bloß zum Zeitvertreib, wie man Schach spielt.
ZWEITE SZENE
Eine Gasse
Simon. Sein Weib.
Simon - (schlägt das Weib). - Du Kuppelpelz, du runzlige Sublimatpille, du wurmstichiger Sündenapfel!
Weib. - He, Hülfe! Hülfe!
(Es kommen Leute gelaufen.)
Leute. - Reißt sie auseinander, reißt sie auseinander!
Simon. - Nein, laßt mich, Römer! Zerschellen will ich dies Geripp! Du Vestalin!
Weib. - Ich eine Vestalin? Das will ich sehen, ich.
Simon. - So reiß ich von den Schultern dein Gewand.
Nackt in die Sonne schleudr' ich dann dein Aas.
Nackt in die Sonne schleudr' ich dann dein Aas.
Du Hurenbett, in jeder Runzel deines Leibes nistet Unzucht. (Sie
werden getrennt.)
Erster Bürger. - Was gibt's?
Simon.
- Wo ist die Jungfrau? Sprich! Nein, so kann ich nicht sagen. Das
Mädchen! Nein, auch das nicht. Die Frau, das Weib! Auch das, auch das
nicht! Nur noch ein Name; oh, der erstickt mich! Ich habe keinen Atem
dafür.
Zweiter Bürger. - Das ist gut, sonst würde der Name nach Schnaps riechen.
Simon.-
Alter Virginius, verhülle dein kahl Haupt - der Rabe Schande sitzt
darauf und hackt nach deinen Augen. Gebt mir ein Messer, Römer! (Er
sinkt um.)
Weib.
- Ach, er ist sonst ein braver Mann, er kann nur nicht viel vertragen;
der Schnaps stellt ihm gleich ein Bein.
Zweiter Bürger. - Dann geht er mit dreien.
Weib. - Nein, er fällt.
Zweiter Bürger.
- Richtig, erst geht er mit dreien, und dann fällt er auf das dritte,
bis das dritte selbst wieder fällt.
Simon. - Du bist die Vampirzunge, die mein wärmstes Herzblut trinkt.
Weib. -
Laßt ihn nur, das ist so die Zeit, worin er immer gerührt wird; es
wird sich schon geben.
Erster Bürger. - Was gibt's denn?
Weib.
- Seht ihr: ich saß da so auf dem Stein in der Sonne und wärmte mich,
seht ihr - denn wir haben kein Holz, seht ihr
Zweiter Bürger. - So nimm deines Mannes Nase.
Weib.
- Und meine Tochter war da hinuntergegangen um die Ecke - sie ist ein
braves Mädchen und ernährt ihre Eltern.
Simon. - Ha, sie bekennt!
Weib. -
Du Judas! hättest du nur ein Paar Hosen hinauf zuziehen, wenn
die jungen Herren die Hosen nicht bei ihr hinunterließen? Du
Branntweinfaß, willst du verdursten, wenn das Brünnlein zu laufen
aufhört, he? - Wir arbeiten mit allen Gliedern, warum denn nicht auch
damit; ihre Mutter hat damit geschafft, wie sie zur Welt kam, und es
hat ihr weh getan; kann sie für ihre Mutter nicht auch damit schaffen,
he? und tut's ihr auch weh dabei, he? Du Dummkopf!
Simon. - Ha, Lukretia! ein Messer, gebt mir ein Messer, Römer! Ha, Appius Claudius!
Erster Bürger.
- Ja, ein Messer, aber nicht für die arme Hure! Was tat sie? Nichts! Ihr
Hunger hurt und bettelt. Ein Messer für die Leute, die das Fleisch
unserer Weiber und Töchter kaufen. Weh über die, so mit den
Töchtern des Volkes huren! Ihr habt Kollern im Leib, und sie haben
Magendrücken; ihr habt Löcher in den Jacken, und sie haben warme
Röcke; ihr habt Schwielen in den Fäusten, und sie haben Samthände.
Ergo, ihr arbeitet, und sie tun nichts; ergo, ihr habt's erworben, und
sie haben's gestohlen; ergo, wenn ihr von eurem gestohlnen Eigentum
ein paar Heller wiederhaben wollt, müßt ihr huren und betteln; ergo,
sie sind Spitzbuben, und man muß sie totschlagen!
Dritter Bürger.
- Sie haben kein Blut in den Adern, als was sie uns ausgesaugt haben.
Sie haben uns gesagt: schlagt die Aristokraten tot, das sind Wölfe!
Wir haben die Aristokraten an die Laternen gehängt. Sie haben gesagt:
das Veto frißt euer Brot; wir haben das Veto totgeschlagen. Sie haben
gesagt: die Girondisten hungern euch aus; wir haben die Girondisten
guillotiniert. Aber sie haben die Toten ausgezogen, und wir laufen wie
zuvor auf nackten Beinen und frieren. Wir wollen ihnen die Haut von
den Schenkeln ziehen und uns Hosen daraus machen, wir wollen ihnen das
Fett auslassen und unsere Suppen mit schmelzen. Fort! Totgeschlagen,
wer kein Loch im Rock hat!
Erster Bürger. - Totgeschlagen, wer lesen und schreiben kann!
Zweiter Bürger. - Totgeschlagen, wer auswärts geht!
Alle (schreien). - Totgeschlagen! Totgeschlagen!
(Einige schleppen einen jungen Menschen herbei.)
Einige Stimmen.
Er hat ein Schnupftuch! ein Aristokrat! an die Laterne! an die
Laterne!
Er hat ein Schnupftuch! ein Aristokrat! an die Laterne! an die
Laterne!
Zweiter Bürger. - Was? er schneuzt sich die Nase nicht mit den Fingern? An die Laterne!
(Eine Laterne wird heruntergelassen.)
(Eine Laterne wird heruntergelassen.)
Junger Mensch. - Ach, meine Herren!
Zweiter Bürger. - Es gibt hier keine Herren! An die Laterne!
Einige (singen).
Die da liegen in der Erden,
Von de Würm gefresse werden;
Besser hangen in der Luft,
Als verfaulen in der Gruft!
Die da liegen in der Erden,
Von de Würm gefresse werden;
Besser hangen in der Luft,
Als verfaulen in der Gruft!
Junger Mensch. - Erbarmen!
Dritter Bürger.
- Nur ein Spielen mit einer Hanflocke um den Hals! 's ist nur ein
Augenblick, wir sind barmherziger als ihr. Unser Leben ist der Mord
durch Arbeit; wir hängen sechzig Jahre lang am Strick und zapplen,
aber wir werden uns losschneiden. - An die Laterne!
Junger Mensch. - Meinetwegen, ihr werdet deswegen nicht heller sehen.
Die Umstehenden. - Bravo! Bravo!
Einige Stimmen. - Laßt ihn laufen! (Er entwischt.)
(Robespierre tritt auf, begleitet von Weibern und Ohnehosen.)
Robespierre. - Was gibt's da, Bürger?
Dritter Bürger.
Was wird's geben? Die paar Tropfen Bluts vom August und September
haben dem Volk die Backen nicht rot gemacht. Die Guillotine ist zu
langsam. Wir brauchen einen Platzregen!
Erster Bürger. - Unsere Weiber und Kinder schreien
nach Brot, wir wollen sie mit Aristokratenfleisch füttern. He!
totgeschlagen, wer kein Loch im Rock hat!
Alle. - Totgeschlagen! Totgeschlagen!
Robespierre. - Im Namen des Gesetzes!
Erster Bürger. - Was ist das Gesetz?
Robespierre. - Der Wille des Volks.
Erster Bürger.
- Wir sind das Volk, und wir wollen, daß kein Gesetz sei; ergo ist
dieser Wille das Gesetz, ergo im Namen des Gesetzes gibt's kein Gesetz
mehr, ergo totgeschlagen!
Einige Stimmen. - Hört den Aristides! hört den Unbestechlichen!
Ein Weib. - Hört den Messias, der gesandt ist, zu
wählen und zu richten; er wird die Bösen mit der Schärfe des Schwertes
schlagen. Seine Augen sind die Augen der Wahl, seine Hände sind die
Hände des Gerichts.
Robespierre.
- Armes, tugendhaftes Volk! Du tust deine Pflicht, du opferst deine
Feinde. Volk, du bist groß! Du offenbarst dich unter Blitzstrahlen und
Donnerschlägen. Aber, Volk, deine Streiche dürfen deinen eignen Leib
nicht verwunden; du mordest dich selbst in deinem Grimm. Du kannst
nur durch deine eigne Kraft fallen, das wissen deine Feinde. Deine
Gesetzgeber wachen, sie werden deine Hände führen; ihre Augen sind
untrügbar, deine Hände sind unentrinnbar. Kommt mit zu den Jakobinern!
Eure Brüder werden euch ihre Arme öffnen, wir werden ein Blutgericht
über unsere Feinde halten.
Viele Stimmen. - Zu den Jakobinern! Es lebe Robespierre! (Alle ab.)
Simon. - Weh mir, verlassen! (Er versucht sich aufzurichten.)
Weib. - Da! (Sie unterstützt ihn.)
Simon. - Ach, meine Baucis! du sammelst Kohlen auf mein Haupt.
Weib. - Da steh!
Simon. - Du wendest dich ab?
Ha, kannst du mir vergeben, Porcia? Schlug ich dich? Das war nicht meine
Hand, war nicht mein Arm, mein Wahnsinn tat es.
Sein Wahnsinn ist des armen Hamlet Feind.
Hamlet tat's nicht, Hamlet verleugnet's.
Wo ist unsre Tochter, wo ist mein Sannchen?
Sein Wahnsinn ist des armen Hamlet Feind.
Hamlet tat's nicht, Hamlet verleugnet's.
Wo ist unsre Tochter, wo ist mein Sannchen?
Weib. - Dort um das Eck herum.
Simon. - Fort zu ihr! Komm, mein tugendreich Gemahl. (Beide ab.)
DRITTE SZENE
Der Jakobinerklub
Der Jakobinerklub
Ein Lyoner.-
Die Brüder von Lyon senden uns, um in eure Brust ihren bittren Unmut
auszuschütten. Wir wissen nicht, ob der Karren, auf dem Ronsin zur
Guillotine fuhr, der Totenwagen der Freiheit war, aber wir wissen,
daß seit jenem Tage die Mörder Chaliers wieder so fest auf den Boden
treten, als ob es kein Grab für sie gäbe. Habt ihr vergessen, daß Lyon
ein Flecken auf dem Boden Frankreichs ist, den man mit den Gebeinen
der Verräter zudecken muß? Habt ihr vergessen, daß diese Hure der
Könige ihren Aussatz nur in dem Wasser der Rhone abwaschen kann? Habt
ihr vergessen, daß dieser revolutionäre Strom die Flotten Pitts im
Mittelmeere auf den Leichen der Aristokraten muß stranden machen? Eure
Barmherzigkeit mordet die Revolution. Der Atemzug eines Aristokraten
ist das Röcheln der Freiheit. Nur ein Feigling stirbt für die
Republik, ein Jakobiner tötet für sie. Wißt: finden wir in euch nicht
mehr die Spannkraft der Männer des 10. August, des September und des
31. Mai, so bleibt uns, wie dem Patrioten Gaillard, nur der Dolch des
Kato. (Beifall und verwirrtes Geschrei.)
Ein Jakobiner. - Wir werden den Becher des Sokrates mit euch trinken
Legendre - (schwingt sich auf die Tribüne). Wir haben nicht nötig, unsere Blicke auf Lyon zu werfen. Die Leute, die seidne Kleider tragen, die in Kutschen fahren, die in den Logen im Theater sitzen und nach dem Diktionär der Akademie sprechen, tragen seit einigen Tagen die Köpfe fest auf den Schultern. Sie sind witzig und sagen, man müsse Marat und Chalier zu einem doppelten Märtyrertum verhelfen und sie in effigie guillotinieren. (Heftige Bewegung in der Versammlung.)
Legendre - (schwingt sich auf die Tribüne). Wir haben nicht nötig, unsere Blicke auf Lyon zu werfen. Die Leute, die seidne Kleider tragen, die in Kutschen fahren, die in den Logen im Theater sitzen und nach dem Diktionär der Akademie sprechen, tragen seit einigen Tagen die Köpfe fest auf den Schultern. Sie sind witzig und sagen, man müsse Marat und Chalier zu einem doppelten Märtyrertum verhelfen und sie in effigie guillotinieren. (Heftige Bewegung in der Versammlung.)
Einige Stimmen. - Das sind tote Leute, ihre Zunge guillotiniert sie.
Legendre. - Das Blut dieser Heiligen
komme über sie! Ich frage die anwesenden Mitglieder des
Wohlfahrtsausschusses, seit wann ihre Ohren so taub geworden sind…
Collot d'Herbois (unterbricht ihn).-
Und ich frage dich, Legendre, wessen Stimme solchen Gedanken Atem
gibt, daß sie lebendig werden und zu sprechen wagen? Es ist Zeit, die
Masken abzureißen. Hört! Die Ursache verklagt ihre Wirkung, der Ruf
sein Echo, der Grund seine Folge. Der Wohlfahrtsausschuß versteht mehr
Logik, Legendre. Sei ruhig! Die Büsten der Heiligen werden unberührt
bleiben, sie werden wie Medusenhäupter die Verräter in Stein
verwandten.
Robespierre. - Ich verlange das Wort.
Die Jakobiner. - Hört, hört den Unbestechlichen!
Robespierre.
- Wir warteten nur auf den Schrei des Unwillens, der von allen Seiten
ertönt, um zu sprechen. Unsere Augen waren offen, wir sahen den Feind
sich rüsten und sich erheben, aber wir haben das Lärmzeichen nicht
gegeben; wir ließen das Volk sich selbst bewachen, es hat nicht
geschlafen, es hat an die Waffen geschlagen. Wir ließen den Feind aus
seinem Hinterhalt hervorbrechen, wir ließen ihn anrücken; jetzt steht
er frei und ungedeckt in der Helle des Tages, jeder Streich wird ihn
treffen, er ist tot, sobald ihr ihn erblickt habt.
Ich habe es euch schon einmal gesagt: in zwei Abteilungen, wie in zwei
Heerhaufen, sind die inneren Feinde der Republik zerfallen. Unter
Bannern von verschiedener Farbe und auf den verschiedensten Wegen
eilen sie alle dem nämlichen Ziele zu. Die eine dieser Faktionen ist
nicht mehr. In ihrem affektierten Wahnsinn suchte sie die erprobtesten
Patrioten als abgenutzte Schwächlinge beiseite zu werfen, um die
Republik ihrer kräftigsten Arme zu berauben. Sie erklärte der Gottheit
und dem Eigentum den Krieg, um eine Diversion zugunsten der Könige zu
machen. Sie parodierte das erhabne Drama der Revolution, um dieselbe
durch studierte Ausschweifungen bloßzustellen. Héberts Triumph
hätte die Republik in ein Chaos verwandelt, und der Despotismus war
befriedigt. Das Schwert des Gesetzes hat den Verräter getroffen. Aber
was liegt den Fremden daran, wenn ihnen Verbrecher einer anderen
Gattung zur Erreichung des nämlichen Zwecks bleiben? Wir haben nichts
getan, wenn wir noch eine andere Faktion zu vernichten haben.
Sie ist das Gegenteil der vorhergehenden. Sie treibt uns zur Schwäche,
ihr Feldgeschrei heißt: Erbarmen! Sie will dem Volk seine Waffen
und die Kraft, welche die Waffen führt, entreißen, um es nackt und
entnervt den Königen zu überantworten.
Die Waffe der Republik ist der Schrecken, die Kraft der Republik ist
die Tugend - die Tugend, weil ohne sie der Schrecken verderblich, der
Schrecken, weil ohne ihn die Tugend ohnmächtig ist. Der Schrecken ist
ein Ausfluß der Tugend, er ist nichts anders als die schnelle, strenge
und unbeugsame Gerechtigkeit. Sie sagen, der Schrecken sei die Waffe
einer despotischen Regierung, die unsrige gliche also dem Despotismus.
Freilich! aber so, wie das Schwert in den Händen eines Freiheitshelden
dem Säbel gleicht, womit der Satellit des Tyrannen bewaffnet ist.
Regiere der Despot seine tierähnlichen Untertanen durch den Schrecken,
er hat recht als Despot; zerschmettert durch den Schrecken die Feinde
der Freiheit, und ihr habt als Stifter der Republik nicht minder
recht. Die Revolutionsregierung ist der Despotismus der Freiheit gegen
die Tyrannei.
Erbarmen mit den Royalisten! rufen
gewisse Leute. Erbarmen mit Bösewichtern? Nein! Erbarmen für die
Unschuld, Erbarmen für die Schwäche, Erbarmen für die Unglücklichen,
Erbarmen für die Menschheit!
Nur dem friedlichen Bürger gebührt von seiten der Gesellschaft Schutz. In einer Republik sind nur Republikaner Bürger; Royalisten und Fremde sind Feinde. Die Unterdrücker der Menschheit bestrafen, ist
Gnade; ihnen verzeihen, ist Barbarei. Alle Zeichen einer falschen Empfindsamkeit scheinen mir Seufzer, welche nach England oder nach Östreich fliegen.
Nur dem friedlichen Bürger gebührt von seiten der Gesellschaft Schutz. In einer Republik sind nur Republikaner Bürger; Royalisten und Fremde sind Feinde. Die Unterdrücker der Menschheit bestrafen, ist
Gnade; ihnen verzeihen, ist Barbarei. Alle Zeichen einer falschen Empfindsamkeit scheinen mir Seufzer, welche nach England oder nach Östreich fliegen.
Aber nicht zufrieden, den Arm des Volkes zu entwaffnen, sucht man noch
die heiligsten Quellen seiner Kraft durch das Laster zu vergiften.
Dies ist der feinste, gefährlichste und abscheulichste Angriff auf die
Freiheit. Nur der höllischste Machiavellismus, doch - nein! Ich will
nicht sagen, daß ein solcher Plan in dem Gehirne eines Menschen hätte
ausgebrütet werden können! Es mag unwillkürlich geschehen, doch
die Absicht tut nichts zur Sache, die Wirkung bleibt die nämliche,
die Gefahr ist gleich groß! Das Laster ist das Kainszeichen des
Aristokratismus. In einer Republik ist es nicht nur ein moralisches,
sondern auch ein politisches Verbrechen; der Lasterhafte ist der
politische Feind der Freiheit, er ist ihr um so gefährlicher,
je größer die Dienste sind, die er ihr scheinbar erwiesen. Der
gefährlichste Bürger ist derjenige, welcher leichter ein Dutzend rote
Mützen verbraucht als eine gute Handlung vollbringt. Ihr werdet mich leicht verstehen, wenn ihr an Leute denkt, welche
sonst in Dachstuben lebten und jetzt in Karossen fahren und mit
ehemaligen Marquisinnen und Baronessen Unzucht treiben. Wir dürfen
wohl fragen: ist das Volk geplündert, oder sind die Goldhände der
Könige gedrückt worden, wenn wir Gesetzgeber des Volks mit allen
Lastern und allem Luxus der ehemaligen Höflinge Parade machen, wenn
wir diese Marquis und Grafen der Revolution reiche Weiber heiraten,
üppige Gastmähler geben, spielen, Diener halten und kostbare Kleider
tragen sehen? Wir dürfen wohl staunen, wenn wir sie Einfälle haben,
schöngeistern und so etwas vom guten Ton bekommen hören. Man hat vor
kurzem auf eine unverschämte Weise den Tacitus parodiert, ich könnte
mit dem Sallust antworten und den Katilina travestieren; doch ich
denke, ich habe keine Striche mehr nötig, die Porträts sind fertig. Keinen Vertrag, keinen Waffenstillstand mit den Menschen, welche nur
auf Ausplünderung des Volkes bedacht waren, welche diese Ausplünderung
ungestraft zu vollbringen hofften, für welche die Republik eine
Spekulation und die Revolution ein Handwerk war! In Schrecken gesetzt
durch den reißenden Strom der Beispiele, suchen sie ganz leise die
Gerechtigkeit abzukühlen. Man sollte glauben, jeder sage zu sich
selbst: »Wir sind nicht tugendhaft genug, um so schrecklich zu sein.
Philosophische Gesetzgeber, erbarmt euch unsrer Schwäche! Ich wage
euch nicht zu sagen, daß ich lasterhaft bin; ich sage euch also
lieber: seid nicht grausam! «Beruhige dich, tugendhaftes Volk, beruhigt euch, ihr Patrioten! Sagt
euren Brüdern zu Lyon: das Schwert des Gesetzes roste nicht in den
Händen, denen ihr es anvertraut habt! - Wir werden der Republik ein
großes Beispiel geben. (Allgemeiner Beifall.)
Viele Stimmen. - Es lebe die Republik! Es lebe Robespierre!
Präsident. - Die Sitzung ist aufgehoben.
VIERTE SZENE
Eine Gasse
Lacroix. Legendre.
Lacroix.
- Was hast du gemacht, Legendre! Weißt du auch, wem du mit deinen Büsten
den Kopf herunterwirfst?
Legendre. - Einigen Stutzern und eleganten Weibern, das ist alles.
Lacroix.-
Du bist ein Selbstmörder, ein Schatten, der sein Original und somit
sich selbst ermordet.
Legendre. - Ich begreife nicht.
Lacroix. - Ich dächte, Collot hätte deutlich gesprochen.
Legendre.
- Was macht das? Es war, als ob eine Champagnerflasche spränge. Er war
wieder betrunken.
Lacroix.
- Narren, Kinder und - nun? - Betrunkne sagen die Wahrheit. Wen glaubst
du denn, daß Robespierre mit dem Katilina gemeint habe?
Legendre. - Nun?
Lacroix.
- Die Sache ist einfach. Man hat die Atheisten und Ultrarevolutionärs
aufs Schafott geschickt; aber dem Volk ist nicht geholfen, es läuft
noch barfuß in den Gassen und will sich aus Aristokratenleder Schuhe
machen. Der Guillotinenthermometer darf nicht fallen; noch einige
Grade, und der Wohlfahrtsausschuß kann sich sein Bett auf dem
Revolutionsplatz suchen.
Legendre.- Was haben damit meine Büsten zu schaffen?
Lacroix.-
Siehst du's noch nicht? Du hast die Contrerevolution offiziell
bekanntgemacht, du hast die Dezemvirn zur Energie gezwungen, du hast
ihnen die Hand geführt. Das Volk ist ein Minotaurus, der wöchentlich
seine Leichen haben muß, wenn er sie nicht auffressen soll.
Legendre. - Wo ist Danton?
Lacroix.
Was weiß ich! Er sucht eben die Mediceische Venus stückweise bei allen
Grisetten des Palais-Royal zusammen; er macht Mosaik, wie er sagt. Der
Himmel weiß, bei welchem Glied er gerade ist. Es ist ein Jammer, daß
die Natur die Schönheit, wie Medea ihren Bruder, zerstückt und sie so
in Fragmenten in die Körper gesenkt hat. - Gehn wir ins Palais-Royal!
(Beide ab.)
FÜNFTE SZENE
Ein Zimmer
Danton. Marion.
Marion. - Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich will dir erzählen.
Danton. - Du könntest deine Lippen besser gebrauchen.
Marion.
- Nein, laß mich einmal so. - Meine Mutter war eine kluge Frau; sie
sagte mir immer, die Keuschheit sei eine schöne Tugend. Wenn Leute ins
Haus kamen und von manchen Dingen zu sprechen anfingen, hieß sie mich
aus dem Zimmer gehn; frug ich, was die Leute gewollt hätten, so sagte
sie mir, ich solle mich schämen; gab sie mir ein Buch zu lesen, so
mußt' ich fast immer einige Seiten überschlagen. Aber die Bibel las
ich nach Belieben, da war alles heilig; aber es war etwas darin, was
ich nicht begriff. Ich mochte auch niemand fragen, ich brütete über
mir selbst. Da kam der Frühling; es ging überall etwas um mich vor,
woran ich keinen Teil hatte. Ich geriet in eine eigne Atmosphäre,
sie erstickte mich fast. Ich betrachtete meine Glieder; es war mir
manchmal, als wäre ich doppelt und verschmölze dann wieder in eins.
Ein junger Mensch kam zu der Zeit ins Haus; er war hübsch und sprach
oft tolles Zeug; ich wußte nicht recht, was er wollte, aber ich mußte
lachen. Meine Mutter hieß ihn öfters kommen, das war uns beiden recht.
Endlich sahen wir nicht ein, warum wir nicht ebensogut zwischen zwei
Bettüchern beieinander liegen, als auf zwei Stühlen nebeneinander
sitzen durften. Ich fand dabei mehr Vergnügen als bei seiner
Unterhaltung und sah nicht ab, warum man mir das geringere gewähren
und das größere entziehen wollte. Wir taten's heimlich. Das ging so
fort. Aber ich wurde wie ein Meer, was alles verschlang und sich
tiefer und tiefer wühlte. Es war für mich nur ein Gegensatz da, alle
Männer verschmolzen in einen Leib. Meine Natur war einmal so, wer kann
da drüber hinaus? Endlich merkt' er's. Er kam eines Morgens und küßte
mich, als wollte er mich ersticken; seine Arme schnürten sich um
meinen Hals, ich war in unsäglicher Angst. Da ließ er mich los und
lachte und sagte: er hätte fast einen dummen Streich gemacht; ich
solle mein Kleid nur behalten und es brauchen, es würde sich schon von
selbst abtragen, er wolle mir den Spaß nicht vor der Zeit verderben,
es wäre doch das einzige, was ich hätte. Dann ging er; ich wußte
wieder nicht, was er wollte. Den Abend saß ich am Fenster; ich bin
sehr reizbar und hänge mit allem um mich nur durch eine Empfindung
zusammen; ich versank in die Wellen der Abendröte. Da kam ein Haufe
die Straße herab, die Kinder liefen voraus, die Weiber sahen aus den
Fenstern. Ich sah hinunter: sie trugen ihn in einem Korb vorbei, der
Mond schien auf seine bleiche Stirn, seine Locken waren feucht, er
hatte sich ersäuft. Ich mußte weinen. - Das war der einzige Bruch in
meinem Wesen. Die andern Leute haben Sonn- und Werktage, sie arbeiten
sechs Tage und beten am siebenten, sie sind jedes Jahr auf ihren
Geburtstag einmal gerührt und denken jedes Jahr auf Neujahr einmal
nach. Ich begreife nichts davon: ich kenne keinen Absatz, keine
Veränderung. Ich bin immer nur eins; ein ununterbrochenes Sehnen und
Fassen, eine Glut, ein Strom. Meine Mutter ist vor Gram gestorben; die
Leute weisen mit Fingern auf mich. Das ist dumm. Es läuft auf eins
hinaus, an was man seine Freude hat, an Leibern, Christusbildern,
Blumen oder Kinderspielsachen; es ist das nämliche Gefühl; wer am
meisten genießt, betet am meisten.
Danton.
- Warum kann ich deine Schönheit nicht ganz in mich fassen, sie nicht
ganz umschließen?
Marion. - Danton, deine Lippen haben Augen.
Danton.
- Ich möchte ein Teil des Äthers sein, um dich in meiner Flut zu baden,
um mich auf jeder Welle deines schönen Leibes zu brechen.
(Lacroix, Adelaide, Rosalie treten ein.)
Lacroix (bleibt in der Tür stehn). - Ich muß lachen, ich muß lachen.
Danton (unwillig). - Nun?
Lacroix. - Die Gasse fällt mir ein.
Danton. - Und?
Lacroix. - Auf der Gasse waren Hunde, eine Dogge und ein Bologneser Schoßhündlein, die quälten sich.
Danton. - Was soll das?
Lacroix.
- Das fiel mir nun grade so ein, und da mußt' ich lachen. Es sah
erbaulich aus! Die Mädel guckten aus den Fenstern; man sollte
vorsichtig sein und sie nicht einmal in der Sonne sitzen lassen. Die
Mücken treiben's ihnen sonst auf den Händen; das macht Gedanken.
Legendre und ich sind fast durch alle Zellen gelaufen, die Nönnlein
von der Offenbarung durch das Fleisch hingen uns an den Rockschößen
und wollten den Segen. Legendre gibt einer die Disziplin, aber er
wird einen Monat dafür zu fasten bekommen. Da bringe ich zwei von den
Priesterinnen mit dem Leib.
Marion. - Guten Tag, Demoiselle Adelaide! guten Tag, Demoiselle Rosalie!
Rosalie. - Wir hatten schon lange nicht das Vergnügen.
Marion. - Es war mir recht leid.
Adelaide. - Ach Gott, wir sind Tag und Nacht beschäftigt.
Danton (zu Rosalie). - Ei, Kleine, du hast ja geschmeidige Hüften bekommen.
Rosalie. - Ach ja, man vervollkommnet sich täglich.
Lacroix. - Was ist der Unterschied zwischen dem antiken und einem modernen Adonis?
Danton. - Und Adelaide ist
sittsam-interessant geworden; eine pikante Abwechslung. Ihr Gesicht
sieht aus wie ein Feigenblatt, das sie sich vor den ganzen Leib hält. So
ein Feigenbaum an einer so gangbaren Straße gibt einen erquicklichen
Schatten.
Adelaide. - Ich wäre ein Herdweg, wenn Monsieur…
Danton. - Ich verstehe; nur nicht böse, mein Fräulein!
Lacroix.
- So höre doch! Ein moderner Adonis wird nicht von einem Eber, sondern
von Säuen zerrissen; er bekommt seine Wunde nicht am Schenkel, sondern
in den Leisten, und aus seinem Blut sprießen nicht Rosen hervor,
sondern schießen Quecksilberblüten an.
Danton.-
O laß das, Fräulein Rosalie ist ein restaurierter Torso, woran nur die
Hüften und Füße antik sind. Sie ist eine Magnetnadel: was der Pol Kopf
abstößt, zieht der Pol Fuß an; die Mitte ist ein Äquator, wo jeder
eine Sublimattaufe bekömmt, der die Linie passiert.
Lacroix.
- Zwei Barmherzige Schwestern; jede dient in einem Spital, d. h. in
ihrem eignen Körper.
Rosalie. - Schämen Sie sich, unsere Ohren rot zu machen!
Adelaide. - Sie sollten mehr Lebensart haben! (Adelaide und Rosalie ab.)
Danton. - Gute Nacht, ihr hübschen Kinder!
Lacroix. - Gute Nacht, ihr Quecksilbergruben!
Danton. - Sie dauern mich, sie kommen um ihr Nachtessen.
Lacroix. - Höre, Danton, ich komme von den Jakobinern.
Danton. - Nichts weiter?
Lacroix.
- Die Lyoner verlasen eine Proklamation; sie meinten, es bliebe ihnen
nichts übrig, als sich in die Toga zu wickeln. Jeder macht ein
Gesicht, als wollte er zu seinem Nachbar sagen: Paetus, es schmerzt
nicht! - Legendre rief, man wolle Chaliers und Marats Büsten
zerschlagen. Ich glaube, er will sich das Gesicht wieder rot machen;
er ist ganz aus der Terreur herausgekommen, die Kinder zupfen ihn auf
der Gasse am Rock.
Danton. - Und Robespierre?
Lacroix.
- Fingerte auf der Tribüne und sagte: die Tugend muß durch den Schrecken
herrschen. Die Phrase machte mir Halsweh.
Danton. - Sie hobelt Bretter für die Guillotine.
Lacroix. - Und Collot schrie wie besessen, man müsse die Masken abreißen.
Danton. - Da werden die Gesichter mitgehen.
(Paris tritt ein.)
Lacroix. - Was gibt's, Fabricius?
Paris. - Von den Jakobinern weg ging
ich zu Robespierre; ich verlangte eine Erklärung. Er suchte eine Miene
zu machen wie Brutus, der seine Söhne opfert. Er sprach im allgemeinen
von den Pflichten, sagte: der Freiheit gegenüber kenne er keine
Rücksicht, er würde alles opfern, sich, seinen Bruder, seine Freunde.
Danton.-
Das war deutlich; man braucht nur die Skala herumzukehren, so steht
er unten und hält seinen Freunden die Leiter. Wir sind Legendre Dank
schuldig, er hat sie sprechen gemacht.
Lacroix.
- Die Hebertisten sind noch nicht tot, das Volk ist materiell elend, das
ist ein furchtbarer Hebel. Die Schale des Blutes darf nicht steigen,
wenn sie dem Wohlfahrtsausschuß nicht zur Laterne werden soll; er hat
Ballast nötig, er braucht einen schweren Kopf.
Danton. - Ich weiß wohl - die
Revolution ist wie Saturn, sie frißt ihre eignen Kinder. (Nach einigem
Besinnen:) Doch, sie werden's nicht wagen.
Lacroix. - Danton, du bist ein toter
Heiliger; aber die Revolution kennt keine Reliquien, sie hat die
Gebeine aller Könige auf die Gasse und alle Bildsäulen von den Kirchen
geworfen. Glaubst du, man würde dich als
Monument stehen lassen?
Monument stehen lassen?
Danton. - Mein Name! das Volk!
Lacroix. - Dein Name! Du bist ein
Gemäßigter, ich bin einer, Camille, Philippeau, Hérault. Für das Volk
sind Schwäche und Mäßigung eins; es schlägt die Nachzügler tot. Die
Schneider von der Sektion der roten Mütze werden die ganze römische
Geschichte in ihrer Nadel fühlen, wenn der Mann des September ihnen
gegenüber ein Gemäßigter war.
Danton.
- Sehr wahr, und außerdem - das Volk ist wie ein Kind, es muß alles
zerbrechen, um zu sehen, was darin steckt.
Lacroix.-
Und außerdem, Danton, sind wir lasterhaft, wie Robespierre sagt, d. h.
wir genießen; und das Volk ist tugendhaft, d. h. es genießt nicht,
weil ihm die Arbeit die Genußorgane stumpf macht, es besäuft sich
nicht, weil es kein Geld hat, und es geht nicht ins Bordell, weil es
nach Käs und Hering aus dem Hals stinkt und die Mädel davor einen Ekel
haben.
Danton. - Es haßt die Genießenden wie ein Eunuch die Männer.
Lacroix.-
Man nennt uns Spitzbuben, und (sich zu den Ohren Dantons neigend) es
ist, unter uns gesagt, so halbwegs was Wahres dran. Robespierre und
das Volk werden tugendhaft sein. St. Just wird einen Roman schreiben,
und Barère wird eine Carmagnole schneidern und dem Konvent das
Blutmäntelchen umhängen und - ich sehe alles.
Danton.
- Du träumst. Sie hatten nie Mut ohne mich, sie werden keinen gegen mich
haben; die Revolution ist noch nicht fertig, sie könnten mich noch
nötig haben, sie werden mich im Arsenal aufheben.
Lacroix. - Wir müssen handeln.
Danton. - Das wird sich finden.
Lacroix. - Es wird sich finden, wenn wir verloren sind.
Marion (zu Danton).
- Deine Lippen sind kalt geworden, deine Worte haben deine Küsse
erstickt.
Danton (zu Marion).-
So viel Zeit zu verlieren! Das war der Mühe wert! - (Zu Lacroix:)
Morgen geh ich zu Robespierre; ich werde ihn ärgern, da kann er nicht
schweigen. Morgen also! Gute Nacht, meine Freunde, gute Nacht! ich
danke euch!
Lacroix. - Packt euch, meine guten
Freunde, Packt euch! Gute Nacht, Danton! Die Schenkel der Demoiselle
guillotinieren dich, der Mons Veneris wird dein Tarpejischer Fels. (Ab
mit Paris.)
SECHSTE SZENE
Ein Zimmer
Robespierre. Danton. Paris.
Robespierre.-
Ich sage dir, wer mir in den Arm fällt, wenn ich das Schwert ziehe,
ist mein Feind - seine Absicht tut nichts zur Sache; wer mich
verhindert, mich zu verteidigen, tötet mich so gut, als wenn er mich
angriffe.
Danton.
- Wo die Notwehr aufhört, fängt der Mord an; ich sehe keinen Grund, der
uns länger zum Töten zwänge.
Robespierre. -
Die soziale Revolution ist noch nicht fertig; wer eine Revolution zur
Hälfte vollendet, gräbt sich selbst sein Grab. Die gute Gesellschaft
ist noch nicht tot, die gesunde Volkskraft muß sich an die Stelle
dieser nach allen Richtungen abgekitzelten Klasse setzen. Das Laster
muß bestraft werden, die Tugend muß durch den Schrecken herrschen.
Danton. -
Ich verstehe das Wort Strafe nicht. - Mit deiner Tugend, Robespierre!
Du hast kein Geld genommen, du hast keine Schulden gemacht, du hast
bei keinem Weibe geschlafen, du hast immer einen anständigen Rock
getragen und dich nie betrunken. Robespierre, du bist empörend
rechtschaffen. Ich würde mich schämen, dreißig Jahre lang mit der
nämlichen Moralphysiognomie zwischen Himmel und Erde herumzulaufen,
bloß um des elenden Vergnügens willen, andre schlechter zu finden als
mich. - Ist denn nichts in dir, was dir nicht manchmal ganz leise,
heimlich sagte: du lügst, du lügst!?
Robespierre. - Mein Gewissen ist rein.
Danton. -
Das Gewissen ist ein Spiegel, vor dem ein Affe sich quält; jeder putzt
sich, wie er kann, und geht auf seine eigne Art auf seinen Spaß dabei
aus. Das ist der Mühe wert, sich darüber in den Haaren zu liegen!
Jeder mag sich wehren, wenn ein andrer ihm den Spaß verdirbt. Hast du
das Recht, aus der Guillotine einen Waschzuber für die unreine Wäsche
anderer Leute und aus ihren abgeschlagenen Köpfen Fleckkugeln für ihre
schmutzigen Kleider zu machen, weil du immer einen sauber gebürsteten
Rock trägst? Ja, du kannst dich wehren, wenn sie dir drauf spucken
oder Löcher hineinreißen; aber was geht es dich an, solang sie dich in
Ruhe lassen? Wenn sie sich nicht genieren, so herumzugehn, hast du
deswegen das Recht, sie ins Grabloch zu sperren? Bist du der
Polizeisoldat des Himmels? Und kannst du es nicht ebensogut mitansehn
als dein lieber Herrgott, so halte dir dein Schnupftuch vor die
Augen.
Robespierre. - Du leugnest die Tugend?
Danton.
- Und das Laster. Es gibt nur Epikureer, und zwar grobe und feine,
Christus war der feinste; das ist der einzige Unterschied, den ich
zwischen den Menschen herausbringen kann. Jeder handelt seiner Natur
gemäß, d. h. er tut, was ihm wohltut. - Nicht wahr, Unbestechlicher,
es ist grausam, dir die Absätze so von den Schuhen zu treten?
Robespierre. - Danton, das Laster ist zu gewissen Zeiten Hochverrat.
Danton.
- Du darfst es nicht proskribieren, ums Himmels willen nicht, das wäre
undankbar; du bist ihm zu viel schuldig, durch den Kontrast nämlich. -
Übrigens, um bei deinen Begriffen zu bleiben, unsere Streiche müssen
der Republik nützlich sein, man darf die Unschuldigen nicht mit den
Schuldigen treffen.
Robespierre. - Wer sagt dir denn, daß ein Unschuldiger getroffen worden sei?
Danton. - Hörst du, Fabricius? Es
starb kein Unschuldiger! (Er geht; im Hinausgehn zu Paris:) Wir dürfen
keinen Augenblick verlieren, wir müssen uns zeigen! (Danton und Paris
ab.)
Robespierre. (allein). -
Geh nur! Er will die Rosse der Revolution am Bordell halten machen,
wie ein Kutscher seine dressierten Gäule; sie werden Kraft genug
haben, ihn zum Revolutionsplatz zu schleifen.
Mir die Absätze von den Schuhen treten! Um bei deinen Begriffen zu
bleiben! - Halt! Halt! Ist's das eigentlich? Sie werden sagen, seine
gigantische Gestalt hätte zu viel Schatten auf mich geworfen, ich
hätte ihn deswegen aus der Sonne gehen heißen. - Und wenn sie recht
hätten? Ist's denn so notwendig? Ja, ja! die Republik! Er muß weg.
Es ist lächerlich, wie meine Gedanken einander beaufsichtigen. - Er
muß weg. Wer in einer Masse, die vorwärts drängt, stehenbleibt,
leistet so gut Widerstand, als trät' er ihr entgegen: er wird
zertreten.
Wir werden das Schiff der Revolution nicht auf den seichten
Berechnungen und den Schlammbänken dieser Leute stranden lassen; wir
müssen die Hand abhauen, die es zu halten wagt - und wenn er es mit
den Zähnen packte!
Weg mit einer Gesellschaft, die der toten Aristokratie die Kleider
ausgezogen und ihren Aussatz geerbt hat!
Keine Tugend! Die Tugend ein Absatz meiner Schuhe! Bei meinen
Begriffen! - Wie das immer wiederkommt. - Warum kann ich den Gedanken
nicht loswerden? Er deutet mit blutigem Finger immer da, da hin! Ich
mag so viel Lappen darum wickeln, als ich will, das Blut schlägt immer
durch. - (Nach einer Pause:) Ich weiß nicht, was in mir das andere
belügt.
(Er tritt ans Fenster.) Die Nacht schnarcht über der Erde und wälzt
sich im wüsten Traum. Gedanken, Wünsche, kaum geahnt, wirr und
gestaltlos, die scheu sich vor des Tages Licht verkrochen, empfangen
jetzt Form und Gewand und stehlen sich in das stille Haus des Traums.
Sie öffnen die Türen, sie sehen aus den Fenstern, sie werden halbwegs
Fleisch, die Glieder strecken sich im Schlaf, die Lippen murmeln. -
Und ist nicht unser Wachen ein hellerer Traum? sind wir nicht
Nachtwandler? ist nicht unser Handeln wie das im Traum, nur
deutlicher, bestimmter, durchgeführter? Wer will uns darum schelten?
In einer Stunde verrichtet der Geist mehr Taten des Gedankens, als der
träge Organismus unsres Leibes in Jahren nachzutun vermag. Die Sünde
ist im Gedanken. Ob der Gedanke Tat wird, ob ihn der Körper
nachspiele, das ist Zufall.
(St. Just tritt ein.)
Robespierre. - He, wer da im Finstern? He, Licht, Licht!
St. Just. - Kennst du meine Stimme?
Robespierre. - Ah du, St. Just!
(Eine Dienerin bringt Licht.)
St. Just. - Warst du allein?
Robespierre. - Eben ging Danton weg.
St. Just.
- Ich traf ihn unterwegs im Palais-Royal. Er machte seine revolutionäre
Stirn und sprach in Epigrammen; er duzte sich mit den Ohnehosen, die
Grisetten liefen hinter seinen Waden drein, und die Leute blieben
stehn und zischelten sich in die Ohren, was er gesagt hatte. - Wir
werden den Vorteil des Angriffs verlieren. Willst du noch länger
zaudern? Wir werden ohne dich handeln. Wir sind entschlossen.
Robespierre. - Was wollt ihr tun?
St. Just. - Wir berufen den Gesetzgebungs-, den Sicherheits- und den Wohlfahrtsausschuß zu feierlicher Sitzung.
Robespierre. - Viel Umstände.
St. Just.
- Wir müssen die große Leiche mit Anstand begraben, wie Priester, nicht
wie Mörder; wir dürfen sie nicht verstümmeln, alle ihre Glieder müssen
mit hinunter.
Robespierre. - Sprich deutlicher!
St. Just. - Wir müssen ihn in seiner
vollen Waffenrüstung beisetzen und seine Pferde und Sklaven auf seinem
Grabhügel schlachten: Lacroix
Robespierre. - Ein ausgemachter Spitzbube, gewesener Advokatenschreiber, gegenwärtig Generalleutnant von Frankreich. Weiter!
St. Just. - Hérault-Séchelles.
Robespierre. - Ein schöner Kopf!
St. Just. - Er war der schöngemalte
Anfangsbuchstaben der Konstitutionsakte; wir haben dergleichen Zierat
nicht mehr nötig, er wird ausgewischt. - Philippeau. - Camille.
Robespierre. - Auch der?
St. Just (überreicht ihm ein Papier) - Das dacht' ich. Da lies!
Robespierre.
- Aha, »Der alte Franziskaner«! Sonst nichts? Er ist ein Kind, er hat
über euch gelacht.
St. Just. - Lies hier, hier! (Er zeigt ihm eine Stelle.)
Robespierre (liest).-
»Dieser Blutmessias Robespierre auf seinem Kalvarienberge zwischen den
beiden Schächern Couthon und Collot, auf dem er opfert und nicht
geopfert wird. Die Guillotinen-Betschwestern stehen wie Maria und
Magdalena unten. St. Just liegt ihm wie Johannes am Herzen und macht
den Konvent mit den apokalyptischen Offenbarungen des Meisters
bekannt; er trägt seinen Kopf wie eine Monstranz.«
St. Just. - Ich will ihn den seinigen wie St. Denis tragen machen.
Robespierre (liest weiter). -
»Sollte man glauben, daß der saubere Frack des Messias das Leichenhemd
Frankreichs ist, und daß seine dünnen, auf der Tribüne herumzuckenden
Finger Guillotinenmesser sind? - Und du, Barère, der du gesagt hast,
auf dem Revolutionsplatz werde Münze geschlagen! Doch - ich will den
alten Sack nicht aufwühlen. Er ist eine Witwe, die schon ein halb
Dutzend Männer hatte und sie alle begraben half. Wer kann was dafür?
Das ist so seine Gabe, er sieht den Leuten ein halbes Jahr vor dem
Tode das hippokratische Gesicht an. Wer mag sich auch zu Leichen
setzen und den Gestank riechen?«
Also auch du, Camille? - Weg mit ihnen! Rasch! Nur die Toten kommen
nicht wieder.
Hast du die Anklage bereit?
St. Just.
- Es macht sich leicht. Du hast die Andeutungen bei den Jakobinern
gemacht.
Robespierre. - Ich wollte sie schrecken.
St. Just. - Ich brauche nur
durchzuführen; die Fälscher geben das Ei und die Fremden den Apfel ab. -
Sie sterben an der Mahlzeit, ich gebe dir mein Wort.
Robespierre.-
Dann rasch, morgen! Keinen langen Todeskampf! Ich bin empfindlich seit
einigen Tagen. Nur rasch! (St. Just ab.)
Robespierre (allein).
- Jawohl, Blutmessias, der opfert und nicht geopfert wird. - Er hat sie
mit seinem Blut erlöst, und ich erlöse sie mit ihrem eignen. Er hat
sie sündigen gemacht, und ich nehme die Sünde auf mich. Er hatte die
Wollust des Schmerzes, und ich habe die Qual des Henkers. Wer hat sich
mehr verleugnet, ich oder er? - Und doch ist was von Narrheit in dem
Gedanken. - Was sehen wir nur immer nach dem Einen? Wahrlich, der
Menschensohn wird in uns allen gekreuzigt, wir ringen alle im
Gethsemanegarten im blutigen Schweiß, aber es erlöst keiner den andern
mit seinen Wunden. Mein Camille! - Sie gehen alle von mir - es ist alles wüst und leer -
ich bin allein.
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