DIE  LIEBE 
 
von Therese Artner, 1798  
 
 
    Laß mein Lied zu dir sich heben, 
Königinn vom Erdenrund, 
Der die Herzen wonnig beben, 
Liebe, Quelle aller Leben, 
Schöpferhauch aus Gottesmund! 
Du erzeugtest, was bestehet, 
Du bevölkerst die Natur; 
Wo dein sanfter Odem wehet, 
Zeugt sich junges Daseyns Spur. 
     
    Deinem Wink gehorchend, kreiset 
Um die Sonne der Planet; 
Deinem Zuge folgsam, reiset 
Luna um die Erde, weiset 
Nach dem Pole der Magnet. 
Kräfte die sich feindlich sträuben 
Bringt dein Wink zur Harmonie; 
Ja, wir säh'n das All zerstäuben, 
Hielt es nicht die Sympathie. 
     
    Auf der Erd', in Meer und Lüften, 
Ueb'rall schufst du Weib und Mann; 
Leben rufst du aus den Grüften; 
Liebend in der Tiefe Klüften 
Ziehn sich die Metalle an. 
Du regierst in jeder Zone 
Bist die Kette, die die Welt 
An des Schöpfers Strahlenthrone 
Ewiglich befestigt hält. 
     
    Mit dem Lenze steigst du nieder 
Auf die schlummernde Natur; 
Neubelebt erwacht sie wieder, 
Feyernd schallen Jubellieder 
Aus dem Haine, von der Flur. 
Ihre Himmelstöne singet 
Philomele nur für dich; 
Neu befiedert, froh verjünget 
Lieben alle Thiere sich. 
     
    Daß es auch dem Wurm gelinge, 
Deiner Wonne sich zu freun, 
Spinnt er sich zum Schmetterlinge, 
Prangt mit goldbesäumter Schwinge, 
Liebt und schließt sein kurzes Seyn. 
Um zu lieben streift die Pflanze 
Ihre Knospenhülsen ab, 
Schmückt sich mit dem Blüthenkranze 
Liebt – und welket in ihr Grab. 
     
    Alles naht im Feyerkleide 
Deinem goldnen Hochaltar; 
In der Schönheit Festgeschmeide 
Bringen Jugend, Kraft und Freude 
Jüngling' dir und Mädchen dar. 
Bis nicht jeder Keim entfaltet, 
Bis nicht jegliches Organ 
Zur Vollkommenheit gestaltet, 
Nimmst du ihren Dienst nicht an. 
         
Doch, wenn schlanken Tannen ähnlich 
Jeder Reiz den Körper schmückt, 
Wenn die Jungfrau hold und sehnlich, 
Und der Jüngling kühn und männlich 
Aus dem Feuerauge blickt; 
    Wenn vom süßen Kindheitstraume 
Aufgewacht, der Geist sich hebt, 
Und nach einem größern Raume 
Die erregte Denkkraft strebt; 
         
Wenn der Blick erhöht, erheitert 
Frey die Schöpfung übersieht, 
Die Vernunft sich hellt und läutert 
Und das warme Herz, erweitert, 
Neuem Hochgefühle glüht; 
Zarte Schaam des Mädchens Wangen 
Mit des Lotos Farben mahlt, 
Und ein unbekannt Verlangen 
Ihr im vollen Busen wallt. 
     
  Wenn dich niegefühlte Leere, 
Feuervoller Jüngling, plagt, 
Und umsonst der 
Sporn der Ehre 
Ins Getümmel wilder Heere 
Dich nach blut'gem Lorbeer 
jagt; 
Nicht durch ihre Schmeicheltöne 
Fama deine Sehnsucht 
stillt, 
Unwillkürlich manche Thräne 
Von der blassen Wange quillt; 
   
O 
dann wandelst du – erfreue 
Dich, Beglückter! schon die Bahn 
Zu dem Tempel, 
wo die Weihe 
Deiner harret, und bald neue 
Freuden, tanzend, dich 
umfah'n! 
Horch, was säuselt dir entgegen 
Aus dem nahen 
Rosenstrauch? 
Eine Jungfrau! hold verlegen 
Blickt sie nieder, und du auch. 
   
  Aber feuriger bald heben, 
Suchend, eure Blicke sich; 
Du gewahrst ihr 
leises Beben, 
Und ein neugeschaffnes Leben 
Strömt mit Sonnenglut durch 
dich. 
Auch zu ihrem Herzen fließet 
All ihr Blut so schnell und 
warm; 
Länger hältst du's nicht! Es schließet 
Sie an dich dein kühner 
Arm! 
 
Wohin schwand es so geschwinde, 
Was euch erst so ängstlich 
drückt? 
Von den Augen fällt die Binde 
Und ihr staunet, wie der 
Blinde, 
Der das erste Licht erblickt. 
Liebe! Ihre 
hochentzückten 
Herzen, preisen deinen Ruhm, 
Und du führst nun die 
Beglückten 
In dein stilles Heiligthum. 
 
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