Die schöne Buche
von  Eduard Mörike 
 
 
Ganz verborgen im Wald kenn ich ein Plätzchen, da stehet 
  
      Eine Buche, man sieht schöner im Bilde sie nicht. 
Rein 
und glatt, in gediegenem Wuchs erhebt sie sich einzeln, 
  
      Keiner der Nachbarn rührt ihr an den seidenen 
Schmuck. 
Rings, so weit sein Gezweig der stattliche Baum ausbreitet, 
Grünet der Rasen, das Aug still zu erquicken, 
umher; Gleich nach allen Seiten umzirkt er den Stamm in der Mitte; 
    Kunstlos schuf die Natur selber dies liebliche 
Rund. 
Zartes Gebüsch umkränzet es erst; hochstämmige Bäume, 
    Folgend in dichtem Gedräng, wehren dem himmlischen 
Blau. 
Neben der dunkleren Fülle des Eichbaums wieget die Birke 
    Ihr jungfräuliches Haupt schüchtern im goldenen 
Licht. 
  
    Nur wo, verdeckt vom Felsen, der Fußsteig jäh sich 
hinabschlingt, Lässet die Hellung mich ahnen das 
offene Feld. 
– Als ich unlängst einsam, von neuen Gestalten des 
Sommers 
  Ab dem Pfade gelockt, dort im Gebüsch 
mich verlor, 
Führt' ein freundlicher Geist, des Hains auflauschende 
Gottheit, 
  Hier mich zum ersten Mal, plötzlich, 
den Staunenden, ein. 
Welch Entzücken! Es war um die hohe Stunde des 
Mittags, 
  Lautlos alles, es schwieg selber der 
Vogel im Laub. 
  
    Und ich zauderte noch, auf den zierlichen Teppich zu 
treten; Festlich empfing er den Fuß, leise 
beschritt ich ihn nur. Jetzo, gelehnt an den Stamm (er trägt sein breites 
Gewölbe Nicht zu hoch), ließ ich rundum die 
Augen ergehn, Wo den beschatteten Kreis die feurig strahlende Sonne, Fast gleich messend umher, säumte mit blendendem 
Rand. 
  
    Aber ich stand und rührte mich nicht; dämonischer Stille, Unergründlicher Ruh lauschte mein innerer 
Sinn. Eingeschlossen mit dir in diesem sonnigen Zauber- Gürtel, o Einsamkeit, fühlt ich und dachte nur dich! 
   
 
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