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Tuesday, January 17, 2017

DER MISTKÄFER - von Hans Christian Andersen



http://www.copenhagenet.dk/Images/HCAndersen-1860.jpg

Hans Christian Andersen 1805 - 1875



Das Leibroß des Kaisers bekam goldene Hufbeschläge, ein goldenes Hufeisen an jedes Bein.  Aber weshalb das? 

Es war ein wunderschönes Tier, hatte feine Beine, kluge und helle Augen und eine Mähne, die ihm wie ein Schleier über den Hals herabhing. Es hatte seinen Herrn durch Pulverdampf und Kugelregen getragen, hatte die Kugeln singen und pfeifen hören, hatte gebissen, ausgeschlagen und mitgekämpft, als die Feinde eindrangen, war mit seinem Kaiser in einem Sprung über das gestürzte Pferd des Feindes gesetzt, hatte die Krone aus roten Gold, das Leben seines Kaisers gerettet, und das war mehr wert als das rote Gold, deshalb bekam des Kaisers Roß goldene Hufeisen.

Und ein Mistkäfer kam hervorgekrochen. "Erst die Großen, dann die Kleinen", sagte er, "aber die Größe allein macht es nicht." Und dabei streckte er seine dünnen Beine aus. 

"Was willst du denn?" fragte der Schmied.

"Goldene Beschläge, jawohl!" sagte der Mistkäfer. "Bin ich denn nicht ebenso gut wie das große Tier da, das gewartet und gebürstet wird und dem man Essen und Trinken vorsetzt! Gehöre ich nicht auch in den kaiserlichen Stall?"
"Weshalb aber bekommt das Roß goldene Beschläge?" sagte der Schmied, "begreifst du das nicht?"

"Begreifen? Ich begreife, daß es eine Geringschätzung meiner Person ist", sagte der Mistkäfer, "es geschieht, um nicht zu kränken - und ich gehe deshalb auch in die weite Welt!" 
"Nur zu!" sagte der Schmied.
"Grober Kerl, du!" sagte der Mistkäfer, und dann ging er aus dem Stall hinaus, flog eine kleine Strecke und befand sich bald darauf in einem schönen Blumengarten, wo es nach Rosen und Lavendel duftete.

"Ist es hier nicht wunderschön?" fragte einer der kleinen Marienkäfer, die mit ihren roten, schildstarken, mit schwarzen Pünktchen besäten Flügeln darin umherflogen. "Wie süß es hier ist, wie ist es hier schön!"

"Ich bin es besser gewöhnt", sagte der Mistkäfer, "ihr nennt das hier schön? Nicht einmal ein Misthaufen ist hier!"
Dann ging er weiter, unter den Schatten einer großen Levkoje; da kroch eine Kohlraupe umher. "Wie ist doch die Welt schön!" sprach die Kohlraupe, "die Sonne ist so warm, alles so vergnüglich! Und wenn ich einmal einschlafe und sterbe, wie sie es nennen, so erwache ich als ein Schmetterling."


"Was du dir einbildest!" sagte der Mistkäfer, "als Schmetterling umherfliegen! Ich komme aus dem Stall des Kaisers, aber niemand dort, selbst nicht des Kaisers Leibroß, das doch meine abgelegten goldenen Schuhe trägt, bildet sich so etwas ein: Flügel kriegen! Fliegen! Ja, jetzt aber fliegen wir!" Und nun flog der Mistkäfer davon. "Ich will mich nicht ärgern, aber ich ärgere mich doch!" sprach er im Davonfliegen.

Bald darauf aber fiel er auf einem großen Rasenplatz nieder; hier lag er eine Weile und simulierte; endlich schlief er ein.

Ein Platzregen stürzte plötzlich aus den Wolken! Der Mistkäfer erwachte bei dem Lärm und wollte sich in die Erde verkriechen, aber es gelang ihm nicht, er wurde um und um gewälzt; bald schwamm er auf dem Bauch, bald auf dem Rücken, an Fliegen war nicht zu denken; er zweifelte daran, lebendig von diesem Ort fortzukommen. Er lag, wo er lag, und blieb auch liegen.

Als das Unwetter ein wenig nachgelassen hatte und der Mistkäfer das Wasser aus seinen Augen weggeblinzelt hatte, sah er etwas Weißes schimmern, es war Leinen, das auf der Bleiche lag; er gelangte zu ihm hin und kroch zwischen eine Falte des nassen Leinens. Da lag es sich freilich anders als in dem waren Haufen im Stall, aber etwas Besseres war hier nun einmal nicht vorhanden, und deshalb blieb er wo er war, blieb einen ganzen Tag, eine ganze Nacht, und auch der Regen blieb. Gegen Morgen kroch er hervor; er ärgerte sich sehr über das Klima.

Auf dem Leinen saßen zwei Frösche; ihre hellen Augen strahlten vor lauter Vergnügen. "Das ist ein herrliches Wetter!" sagte der eine, "wie erfrischend! Und die Leinwand hält das Wasser so schön beisammen; es krabbelt mich in den Hinterfüßen, als wenn ich schwimmen sollte."

"Ich möchte wissen", sagte der andere, "ob die Schwalbe, die so weit umherfliegt, auf ihren vielen Reisen im Ausland ein besseres Klima als das unsrige gefunden hat: eine solche Nässe! Es ist wahrhaftig, als läge man in einem nassen Graben! Wer sich dessen nicht freut, liebt in der Tat sein Vaterland nicht!" "Seid ihr denn nicht im Stall des Kaisers gewesen?" fragte der Mistkäfer. "Dort ist das Nasse warm und würzig, das ist mein Klima, aber das kann man nicht mit auf Reisen nehmen. Gibt's hier im Garten kein Mistbeet, wo Standespersonen wie ich sich heimisch fühlen und logieren können?"

Die Frösche aber verstanden ihn nicht, oder wollten ihn nicht verstehen.

"Ich frage nie zweimal!" sagte der Mistkäfer, nachdem er bereits dreimal gefragt und keine Antwort erhalten hatte.

Darauf ging er eine Strecke weiter und stieß hier auf einen Tonscherben, der freilich nicht da hätte liegen sollen, aber so wie er lag, gewährte er Schutz gegen Wind und Wetter. Hier wohnten mehrere Ohrwurmfamilien; diese beanspruchen nicht viel - bloß Geselligkeit. Die weiblichen Individuen sind voll der zärtlichsten Mutterliebe, und deshalb hielt auch jede Mutter ihr Kind für das schönste und klügste.

"Unser Söhnchen hat sich verlobt!" Sagte eine Mutter, "die süße Unschuld! Sein ganzes Streben geht dahin, dermaleinst in das Ohr eines Geistlichen zu kommen. Er ist recht kindlich liebenswürdig; die Verlobung bewahrt ihn vor Ausschweifungen! Welche Freude für eine Mutter!"

"Unser Sohn", sprach eine andere Mutter, "kaum aus dem Ei gekrochen, war auch gleich auf der Fahrt; er ist ganz Leben und Feuer! Er läuft sich die Hörner ab! Welch eine Freude für eine Mutter! Nicht war, Herr Mistkäfer?" - Sie erkannten den Fremden an seiner Form.

Sie haben beide recht!" sagte der Mistkäfer, und nun bat man ihn, in das Zimmer einzutreten, soweit er nämlich unter den Tonscherben kommen konnte.

"Jetzt sehen Sie auch mein kleines Ohrwürmchen", rief eine dritte und vierte Mutter. "Es sind gar liebliche Kinder, und sie machen sehr viel Spaß. Sie sind nie unartig, außer sie haben Bauchgrimmen; leider kriegt man das aber gar zu leicht in ihrem Alter."

Und in der Weise sprach jede Mutter von ihrem Püppchen, und die Püppchen sprachen mit und gebrauchten ihre kleinen Scheren, die sie am Schwanze hatten, um den Mistkäfer an seinem Bart zu zupfen.

"Ja, die machen sich immer was zu schaffen, die kleinen Schelme!" sagten die Mütter und dampften ordentlich vor Mutterliebe; allein das langweilte den Mistkäfer, und er fragte deshalb, ob es noch weit bis zu dem Mistbeet sei.

"Das ist ja draußen in der weiten Welt, jenseits des Grabens!" antwortete ein Ohrwurm, "So weit wird hoffentlich keines meiner Kinder gehen, das wäre mein Tod!"

"So weit will ich doch zu kommen versuchen", sagte der Mistkäfer und entfernte sich, ohne Abschied zu nehmen; denn so ist es ja am feinsten. Am Graben traf er noch mehr von seinesgleichen, alles Mistkäfer.

"Hier wohnen wir!" sagten sie. "Wir haben es ganz gemütlich! Dürfen wir Sie wohl bitten, in den fetten Schlamm hinabzusteigen? Die Reise ist für Sie gewiß ermüdend gewesen!"

"Allerdings!" sprach der Mistkäfer. "Ich war dem Regen ausgesetzt und habe auf Leinen liegen müssen, und Reinlichkeit nimmt mich vor allem mit. Auch habe ich Reißen in dem einen Flügel, weil ich unter einem Tonscherben im Zug gestanden habe. Es ist in der Tat ein wahres Labsal, wieder einmal unter seinesgleichen zu sein."

"Kommen Sie vielleicht aus dem Mistbeet?" fragte der älteste.

"Oho! Von höheren Orten!" rief der Mistkäfer. "Ich komme aus dem Stall des Kaisers, wo ich mit goldenen Schuhen an den Füßen geboren wurde; ich reise in einem geheimen Auftrag. Sie dürfen mich darüber aber nicht ausfragen, denn ich verrate es nicht."

Darauf stieg der Mistkäfer in den fetten Schlamm hinab. Dort saßen drei junge Mistkäferfräuleins; sie kicherten weil sie nicht wußten, was sie sagen sollten.

"Sie sind alle drei noch nicht verlobt", sagte die Mutter; und die jungen Mistkäferfräuleins kicherten aufs neue, diesmal aus Verlegenheit.

"Ich habe in den kaiserlichen Ställen keine schöneren gesehen", sagte der Mistkäfer, der sich ausruhte.

"Verderben Sie mir meine Mädchen nicht; sprechen Sie nicht mit Ihnen, es sei denn, Sie haben reelle Absichten! Doch die haben Sie sicher, und ich gebe meinen Segen dazu!"

"Hurra!" riefen all die andern Mistkäfer, und unser Mistkäfer war nun verlobt. Der Verlobung folgte sogleich die Hochzeit auf dem Fuße, denn es war kein Grund zum Aufschub vorhanden.

Der folgende Tag verging sehr angenehm, der nächstfolgende noch einigermaßen, aber am dritten Tag mußte man schon auf Nahrungssuche für die Frau gehen, vielleicht sogar an Kinder denken.

"Ich habe mich übertölpeln lassen!" dachte der Mistkäfer, "es bleibt mir daher nichts anderes übrig, als sie wieder zu übertölpeln!"

Gedacht, getan! Weg war er, den ganzen Tag blieb er aus, die ganze Nacht blieb er aus - und die Frau saß da als Witwe. "Oh", sagten die andern Mistkäfer, "der, den wir in die Familie aufgenommen haben, ist nichts weiter als ein echter Landstreicher; er ist auf und davon gegangen und läßt die Frau uns nun zur Last fallen!"

"Ei, dann mag sie wieder als Jungfrau gelten", sprach die Mutter, "und als mein Kind hierbleiben. Pfui über den Bösewicht, der sie verließ".

Der Mistkäfer war unterdes immer weiter gereist, auf einem Kohlblatt über den Wassergraben gesegelt. In der Morgenstunde kamen zwei Menschen an den Graben; als sie ihn erblickten, hoben sie ihn auf, drehten ihn um und um, taten beide sehr gelehrt, namentlich der eine von ihnen - ein Knabe. "Allah sieht den schwarzen Mistkäfer in dem schwarzen Gestein in dem schwarzen Felsen! Nicht wahr, so steht es im Koran geschrieben?" Dann übersetzte er den Namen des Mistkäfers ins Lateinische und verbreitete sich über dessen Geschlecht und Natur. Der zweite Mensch, ein älterer Gelehrter, stimmte dagegen, ihn mit nach Hause zu nehmen; sie hätten, sagte er, dort ebenso gute Exemplare, und das, so schien es unserem Mistkäfer, war nicht höflich gesprochen, deshalb flog er ihm auch plötzlich aus der Hand. Da er jetzt trockenen Flügel hatte, flog er eine ziemlich große Strecke und erreichte das Treibhaus, wo er mit aller Bequemlichkeit, da hier ein Fenster angelehnt war, hineinschlüpfte und sich in dem frischen Mist vergrub.

"Hier ist es wonnig!" sagte er.

Bald darauf schlief er ein, und es träumte ihm, daß des Kaisers Leibroß gestürzt sei und ihm seine goldenen Hufeisen gegeben habe und obendrein das Versprechen, ihn noch zwei anlegen zu lassen.

Das war sehr angenehm. Als der Mistkäfer erwachte, kroch er hervor und schaute sich um. Welche Pracht war in dem Treibhaus! Im Hintergrund große Palmen, hoch emporragend; die Sonne ließ sie transparent erscheinen, und unter ihnen, welche Fülle von Grün und strahlenden Blumen, rot wie Feuer, gelb wie Bernstein, weiß wie frischer Schnee!

"Das ist eine unvergleichliche Pflanzenpracht, die wird schmecken, wenn sie fault!" sagte der Mistkäfer. "Das ist eine gute Speisekammer! Hier wohnen gewiß Anverwandte; ich will doch nachspüren, ob ich jemanden finde, mit dem ich Umgang pflegen kann. Stolz bin ich, das ist mein Stolz!" Und nun lungerte er in dem Treibhaus herum und gedachte seines schönen Traumes von dem toten Pferd und den ererbten goldenen Hufeisen.

Da ergriff plötzlich eine Hand den Mistkäfer, drückte ihn und drehte ihn um und um.

Der kleine Sohn des Gärtners und ein Kamerad waren an das Mistbeet herangetreten, hatten den Mistkäfer gesehen und wollten nun ihren Spaß mit ihm treiben. Zuerst wurde er in ein Weinblatt gewickelt und alsdann in eine warme Hosentasche gesteckt; er kribbelte und krabbelte dort nach Kräften; dafür bekam er aber einen Druck von der Hand des Knaben und wurde so zur Ruhe gewiesen. Der Knabe ging darauf raschen Schrittes zu dem großen See hin, der am Ende des Gartens lag. Hier wurde der Mistkäfer in einen alten, halbzerbrochenen Holzschuh ausgesetzt, auf denselben ein Stäbchen als Mast gesteckt und an diesen der Mistkäfer mit einem wollenen Faden festgefunden. Jetzt war er Schiffer und mußte segeln.

Der See war sehr groß, dem Mistkäfer schien er wie ein Weltmeer, und er erstaunte dermaßen, daß er auf den Rücken fiel und mit den Füßen zappelte. Das Schifflein segelte, und die Strömung des Wassers ergriff es; fuhr es aber zu weit vom Land weg, krempelte sofort einer der Knaben seine Beinkleider auf, trat ins Wasser und holte es wieder ans Land zurück. Endlich aber, gerade als es wieder in bester Fahrt seeinwärts ging, wurden die Knaben gerufen, ganz ernstlich gerufen; sie beeilten sich zu kommen, liefen vom Wasser fort und ließen Schifflein Schifflein sein. Dieses trieb nun immer mehr und mehr vom Ufer ab, immer mehr in den offenen See hinaus; es war entsetzlich für den Mistkäfer, da er nicht fliegen konnte, weil er an den Mast gebunden war.

Da bekam er Besuch von einer Fliege. "Was für schönes Wetter!" sagte die Fliege. "Hier will ich ausruhen und mich sonnen; Sie haben es hübsch hier."

"Sie reden, wie Sie's verstehen! sehen Sie denn nicht, daß ich fest angebunden bin?"

"Ich bin nicht angebunden", sagte die Fliege und flog davon.

"Na, jetzt kenne ich die Welt!" sprach der Mistkäfer. "Es ist eine niederträchtige Welt! Ich bin der einzig Honette auf der Welt! Erst verweigert man mir goldene Schuhe, dann muß ich auf nassem Leinen liegen, in Zugluft stehen, und zu guterletzt hängen sie mir noch eine Frau auf. Tue ich dann einen raschen Schritt in die Welt hinaus um zu erfahren, wie man es dort bekommen kann und wie ich es haben sollte, so kommt so ein Menschenjunge, bindet mich fest und überläßt mich den wilden Wogen, während das Leibpferd des Kaisers in goldenen Schuhen einherstolziert! Das ärgert mich am meisten. Aber auf Anteilnahme darf man in dieser Welt nicht rechnen! Mein Lebenslauf ist sehr interessant; doch was nützt es, wenn ihn niemand kennt! Die Welt verdient es gar nicht, ihn kennenzulernen, sie hätte mir sonst auch goldene Schuhe im Stall des Kaisers gegeben, damals, als das Leibroß des Kaisers beschlagen wurde und ich meine Beine deshalb ausstreckte. Hätte ich goldenen Schuhe bekommen, so wäre ich eine Zierde des Stalles geworden; jetzt hat mich der Stall verloren, die Welt verloren, alles ist aus!"

"Sieh, da segelt ein alter Holzschuh", sagte eines der Mädchen.

"Ein kleines Tier ist darin angebunden!" rief ein anderes.

Das Boot kam ganz in die Nähe des Schiffleins mit unserem Mistkäfer; die jungen Mädchen fischten es aus dem Wasser; eine von ihnen zog eine kleine Schere aus ihrer Tasche, durchschnitt den wollenen Faden, ohne dem Mistkäfer ein Leid zuzufügen, und als sie an Land stieg, setzte sie ihn in das Gras. "Krieche, Krieche" Fliege, fliege" wenn du kannst", sprach sie, "Freiheit ist ein herrlich Ding."

Und der Mistkäfer flog auf und gerade durch das offene Fenster eines großen Gebäudes; dort sank er matt und müde herab auf die feine, weiche, lange Mähne des kaiserlichen Leibrosses, das im Stall stand, in dem es und auch der Mistkäfer zu Hause waren. Der Mistkäfer klammerte sich in der Mähne fest, saß eine kurze Zeit ganz still und erholte sich.

"Hier sitze ich auf dem Leibroß des Kaisers, sitze als Kaiser auf ihm! Doch was wollte ich noch sagen? Ja, jetzt fällt mir's wieder ein! Das ist ein guter Gedanke, und der hat seine Richtigkeit. Weshalb bekommt das Pferd die goldenen Hufbeschläge? so fragte mich doch der Schmied. Jetzt erst wird mir diese Frage klar. Meinetwegen bekam das Roß die goldenen Hufbeschläge!"


Und jetzt wurde der Mistkäfer guter Laune. "Man kriegt einen klaren Kopf auf Reisen!" sagte er.

Die Sonne warf ihre Strahlen in den Stall auf ihn herab und machte es dort hell und freundlich.

"Die Welt ist genau besehen doch nicht so arg", sagte der Mistkäfer, "man muß sie nur zu nehmen wissen!"

Ja, die Welt war schön, weil des Kaisers Leibroß nur deshalb goldene Hufbeschläge bekommen hatte, damit der Mistkäfer sein Reiter sein konnte.


"Jetzt will ich zu den andern Käfern hinabsteigen und ihnen erzählen, wie viel man für mich getan hat, ich will ihnen die Unannehmlichkeiten erzählen, die ich auf meiner Reise im Ausland genossen habe, und ihnen sagen, daß ich jetzt so lange zu Hause bleiben werde, bis das Roß seine goldenen Hufbeschläge abgetreten hat."




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Thursday, June 30, 2016

DER RIESE UND DAS KIND aus Märchen und Erzählungen für Anfänger - by H. A. GUERBER



old postcard: Künstler-AK Schwarz-Torino: der junge Riese mit einem Kind

Es war einmal ein Mann. Der Mann war arm. Er hatte eine Frau. Die Frau war auch arm. Der Mann hatte auch ein Kind, ein kleines Kind. Der Mann und die Frau liebten das Kind. Das Kind war ein Knabe, ein schöner, kleiner Knabe.

Der Mann hatte ein kleines Haus. Das Haus stand nahe am See. Der Mann war ein Fischer. Er fischte in dem See. Er hatte auch ein Boot, ein kleines Boot. Er ging in dem Boote auf den See, wenn er Fische fangen wollte.

Es war auch ein anderer Mann in diesem Lande. Dieser Mann war groß, sehr groß, er war ein Riese (ein sehr großer Mann). Er war auch stark, sehr stark, und er war weise, sehr weise. Eines Tages kam der Riese zu dem armen, kleinen Hause. Er klopfte an die Thür. Die Frau öffnete die Thür.

»Guten Tag, Riese. Was wollen Sie, guter Riese?« fragte sie.

»Guten Tag, gute Frau!« sagte der Riese. »Wo ist Ihr Mann?«

»Mein Mann ist hier im Hause!« antwortete die Frau.

»Ich möchte Ihren Mann sehen!« sagte der Riese.

»Gut!« antwortete die Frau. »Kommen Sie herein!«

Der Riese kam herein. Er sah den Mann.

»Guten Tag!« sagte der Riese.

»Guten Tag!« antwortete der Fischer. »Setzen Sie sich dahin, guter Riese!« Und der Mann gab dem Riesen einen Stuhl.

Der Riese setzte sich auf den Stuhl, und dann sagte er:

»Nun, Fischer, haben Sie heute viele Fische gefangen?«

»Ja wohl!« antwortete der Fischer. »Ich habe heute viele Fische gefangen.«

»Haben Sie große Fische gefangen?«

»Ja!« antwortete der Fischer, »ich habe einige große und einige kleine Fische gefangen!«

»Ich bin froh, daß Sie so viele Fische gefangen haben,« sagte der Riese. »Ich habe keine Fische gefangen. Ich bin kein guter Fischer, aber ich bin ein sehr guter Schachspieler. Schach kann ich gut spielen.«

»O, das kann ich auch!« sagte der Fischer. »Ich kann auch Schach spielen. Ich bin auch ein guter Schachspieler. Im Winter spiele ich oft mit meiner Frau. Aber meine Frau kann nicht so gut spielen als ich.«

»Nein!« sagte der Riese, »und Sie können nicht so gut spielen als ich.«

»Das wollen wir sehen!« antwortete der Fischer. Der Fischer stand auf, er holte das Schachspiel. Er legte das Schachspiel auf den Tisch.

Der Riese setzte sich an den Tisch. Der arme Fischer setzte sich auch an den Tisch. Sie wollten Schach spielen. Sie spielten lange, lange. Der Fischer spielte sehr gut, und der Riese auch. Der Fischer spielte das erste Mal besser als der Riese. Der Fischer gewann das erste Spiel. Aber das zweite Mal spielte der Riese besser als der Fischer. Der Riese gewann das zweite Spiel.

»Jetzt wollen wir das dritte Spiel spielen!« sagte der Riese. »Und dann werden wir sehen, wer besser spielen kann!«

»Das kann ich!« sagte der Fischer. »Das kann ich!«

»Nein, ich kann besser spielen als Sie!« antwortete der Riese. »Was wollen Sie wetten, daß Sie das Spiel gewinnen werden?«

»Ach,« sagte der Fischer, »ich kann nichts wetten. Ich bin zu arm. Ich habe weder Hahn noch Katze, weder Hund noch Kuh, ich habe nichts.«

»O ja!« sagte der Riese. »Sie haben da einen schönen, kleinen Knaben. Wetten Sie den Knaben darauf!«

»Nein, nein,« sagte der Mann, »mein Kind kann ich doch nicht wetten!«

Aber der Riese lachte laut und sagte: »Ja wohl, das Kind wollen Sie nicht darauf wetten, weil Sie wissen, daß ich besser Schach spielen kann als Sie.«

»Nein!« sagte der Mann. »Ich weiß sehr gut, daß ich besser spielen kann!«

»Dann wetten Sie doch das Kind darauf,« sagte der Riese, und der Mann wettete den Knaben auf das Spiel.

Der Fischer und der Riese spielten. Sie spielten beide sehr gut, denn sie wollten beide gewinnen. Der Riese wollte gewinnen, denn er wollte den Knaben haben, und der Fischer wollte gewinnen, denn er wollte dem Riesen den Knaben nicht geben.

Sie spielten lange, und endlich gewann der Riese das Spiel.

Der arme Fischer war traurig, sehr traurig, denn er liebte sein Kind. Die Frau war auch traurig, und sie weinte sehr viel, denn sie liebte das Kind auch, und sie sagte:

»Ach lieber, lieber Mann! Warum haben Sie mit dem Riesen Schach gespielt? Warum haben Sie das liebe Kind darauf gewettet? Jetzt nimmt der böse Riese das liebe Kind. Wir werden kein Kind haben!« Und die arme Frau weinte bitterlich.

Der Riese, der die gute Frau weinen hörte, sagte endlich: »Nun, gute Frau. Das Kind ist mein, aber da Sie so traurig sind, so werde ich es bis morgen hier lassen. Morgen komme ich, das Kind zu holen. Aber wenn Sie das Kind verstecken können, so daß ich es nicht finden kann, dann werden Sie das Kind behalten können.«

Die arme Frau weinte noch, aber sie war doch froh, daß sie den Knaben bis morgen behalten konnte, und der starke Riese ging fort.

Dann sagte die Frau zu ihrem Manne: »Ach, lieber Mann, wie können wir das Kind verstecken? Der Riese ist klug (weise), er ist sehr klug. Er wird den Knaben finden. Ja, er wird ihn gewiß finden.«

»Ja wohl,« sagte der Mann, »der Riese ist klug, er ist klüger als wir. Er wird den Knaben gewiß finden. Aber liebe Frau, wenn wir das Kind nicht gut verstecken können, so wird der Gott Wuotan es vielleicht thun können. Wir wollen zu Wuotan um Hülfe beten.«

»Ja,« sagte die Frau, »das ist ein guter Einfall, wir wollen zu Wuotan um Hülfe beten.«

Der Mann und die Frau beteten lange, und endlich hörte Wuotan ihr Gebet.

»Was wollen Sie, meine guten Leute (Männer und Frauen), was wollen Sie? Warum beten Sie so laut?« fragte Wuotan.

»Ach!« sagte der Mann, »wir sind so traurig, lieber Wuotan. Morgen kommt ein Riese, und er will unser Kind nehmen, wenn wir es nicht so gut verstecken, daß er es nicht finden kann. Wir können das Kind nicht gut genug verstecken. Der Riese wird es gewiß finden, denn er ist klug, und er hat sehr gute und scharfe Augen. Helfen Sie uns, lieber Wuotan, helfen Sie uns!«

»Gut,« sagte Wuotan. »Ich werde Ihnen helfen. Wo ist das Kind?«

Dann nahm Wuotan das Kind und er versteckte es. Damit der Riese den Knaben nicht finden konnte, versteckte er ihn in ein Samenkorn. Den Kornsamen versteckte er in eine Ähre. Die Ähre versteckte er in ein Kornfeld, und dann sagte er zu den Eltern:

»Jetzt ist Ihr Kind gut versteckt, gute Leute, und der kluge Riese kann es sicher nicht finden!«

Der Morgen kam. Der kluge Riese kam auch. Er klopfte an die Thür. Die Frau machte die Thür auf.

»Guten Morgen, liebe Frau, ich bin gekommen, um das Kind zu holen. Haben Sie es versteckt?«

»Ja,« sagte die Frau, »das Kind ist versteckt. Finden Sie es, kluger Riese, wenn Sie es finden können.«

Der Riese, der so klug war, sah überall hin. Dann ging er hinaus. Endlich sah er das Kornfeld, das schöne Kornfeld, und sagte: »Ah! da ist schönes Korn. Ich muß das Korn haben.«

Der Riese nahm das Korn und suchte lange, lange. Endlich fand er die Ähre mit dem Samenkorn, worin das Kind versteckt war. Er nahm die Ähre. Er nahm alle Samenkörner. Dann suchte er noch lange. Endlich fand er das Samenkorn, worin das Kind versteckt war. Aber als er es nehmen wollte, nahm Wuotan das Kind. Er nahm es schnell (nicht langsam), und in einigen Minuten war das Kind wieder zu Hause bei seinen Eltern.

Dann kam der Riese. Der Riese war böse, sehr böse, und sagte: »Das war nicht recht (gut). Nein, das war nicht recht. Ich hatte das Kind und Wuotan hat es genommen! Morgen komme ich wieder. Verstecken Sie das Kind wieder und wenn ich es finden kann, so ist es mein!«

Der Riese ging fort, und die Frau sagte zu Wuotan: »Ach, guter Gott Wuotan, helfen Sie uns wieder. Wir können den Knaben nicht gut genug verstecken. Helfen Sie uns wieder!«

»Nein,« sagte Wuotan, »ich habe Ihnen schon einmal geholfen. Jetzt kann ich Ihnen nicht mehr helfen!« und der Gott Wuotan ging fort.

Dann weinte die arme Frau bitterlich, bis der Mann sagte: »Liebe Frau, das Weinen hilft nichts. Wir müssen beten, wir müssen zu Hönir beten. Vielleicht wird uns Hönir helfen!«

Die beiden Eltern beteten zu Hönir, und endlich hörte der Gott Hönir ihr Gebet. Er hörte, kam zu ihnen und fragte:

»Nun, gute Leute, warum beten Sie so laut um Hülfe?«

»Ach, lieber Hönir,« antwortete der Mann. »Helfen Sie uns! Morgen kommt der kluge Riese, um das Kind zu nehmen, wenn wir es nicht so gut verstecken, daß er es nicht finden kann. Wir können das Kind nicht gut genug verstecken, denn wir sind nicht klug genug. Helfen Sie uns, lieber Hönir, helfen Sie uns, bitte, bitte.«

Dann sagte der gute Gott Hönir: »Ja, ich will Ihnen helfen. Ich will den Knaben verstecken, und ich kann ihn so gut verstecken, daß der Riese ihn nie finden kann.«

Hönir nahm das Kind und er versteckte es in eine kleine Feder. Die Feder versteckte er in einen Schwan. Der Schwan konnte gut schwimmen, und der Schwan schwamm immer auf dem See.

Am Morgen kam der Riese. Er klopfte an die Thür. Die Frau machte die Thür auf. Der Riese sagte:

»Guten Morgen, liebe Frau. Ist das Kind versteckt?«

»Ja,« sagte die Frau, »das Kind ist gut versteckt, und dieses Mal werden Sie es nicht finden können.«

»Nun, das wollen wir sehen!« sagte der kluge Riese. Er suchte lange, und endlich kam er zu dem See. Er sah den Schwan, der so gut schwimmen konnte, und er fing den Schwan. Er suchte lange unter den Federn. Endlich fand er die Feder, worin das Kind versteckt war. Er wollte die Feder nehmen. Aber da kam ein Wind, ein starker Wind. Der Wind war Hönir. Der Wind blies die Feder aus der Hand des Riesen.

Der Wind blies die Feder in das Haus des armen Fischers.

Dann kam der Riese. Er war böse und sagte laut: »Das war nicht recht. Morgen komme ich wieder. Verstecken Sie das Kind wieder und wenn ich es finden kann, so ist das Kind mein.«

Der Riese ging fort und die Eltern sagten: »Ach Hönir, guter Gott Hönir. Helfen Sie uns wieder, denn wir können das Kind nicht gut genug verstecken.«

»Nein,« sagte Hönir, »das kann ich nicht. Ich habe Ihnen einmal geholfen. Jetzt kann ich nicht mehr helfen,« und der Gott Hönir ging fort.

Dann weinte die arme Frau bitterlich, bis ihr Mann sagte: »Meine Frau, das Weinen hilft nichts. Wir wollen jetzt beten. Wir wollen zu Loge, dem Gott des Feuers, beten. Vielleicht wird uns Loge helfen.«

Die armen Eltern beteten lange, und sie beteten so inbrünstig (so laut und so gut), daß Loge das Gebet endlich hörte. Loge kam und fragte: »Was wollen Sie, gute Leute, warum beten Sie so inbrünstig?«

»Ach,« sagte der Mann, »morgen kommt ein kluger Riese, um unser liebes Kind fortzunehmen, wenn wir es nicht verstecken, so daß er es nicht finden kann. Wuotan und Hönir haben beide das Kind versteckt, und zweimal hat der böse Riese das Kind gefunden. Helfen Sie uns, Loge, und verstecken Sie das Kind, bitte, bitte.«

»Gut,« sagte Loge, »ich will das Kind verstecken, so daß der Riese es nicht finden kann, und wenn er es findet, so werde ich den bösen Riesen töten.« Dann sagte Loge zu dem Fischer: »Wo ist Ihr Boot. Ich muß fischen.«

Der Fischer ging mit Loge auf den See. Loge fischte. Er fing drei Fische. Die Fische waren schön. Loge öffnete einen Fisch. Er fand viele Eier in dem Fische. Er versteckte das Kind in ein kleines Fischei. Dann ließ er die Fische wieder in das Wasser gehen und sagte:

»Nun, Fischer, kann der böse Riese das Kind sicher nicht finden.«

Loge ging dann in das Haus. Da sagte er: »Wo ist eine Stange? Ich muß eine Stange, eine sehr spitzige Stange haben.«

Der Fischer gab Loge eine spitzige Stange. Loge machte die Stange an der Wand des Hauses fest, so daß das spitzige Ende gegen die Thür war. Dann sagte er: »Jetzt kann der böse Riese kommen!«

Am Morgen kam der böse Riese. Der Fischer stand vor der Thür des kleinen Hauses.

»Nun, Fischer,« sagte er. »Haben Sie das Kind versteckt?«

»Ja,« sagte der Fischer, »es ist versteckt, finden Sie es, wenn Sie können.«

Der Riese sagte: »Gut, ich will das Kind suchen!« Und er sprang in das Boot, ging auf den See und fischte lange. Endlich fing der Riese drei Fische. Er nahm den einen Fisch, öffnete ihn, sah die vielen Eier und suchte lange. Dann fand er das kleine Ei, worin das Kind versteckt war. Er wollte das Ei nehmen, aber da kam Loge. Er nahm das Ei schnell aus der Hand des Riesen, und in einer Minute war das Kind auf dem Lande.

Loge sagte dann zu dem Kinde: »Springe in das Haus und mache die Thür zu, da kommt der böse Riese!«

Das Kind sprang in das Haus und machte die Thür schnell zu.

Da kam der böse Riese. Er wollte das Kind fangen. Er sprang auch schnell in das Haus, aber da er sehr groß war, durchbohrte ihn die spitzige Stange, und in einigen Minuten war der böse Riese tot.

Jetzt konnte er nie wiederkommen. Jetzt konnte er das Kind nie fortnehmen, und die Eltern waren sehr froh, daß er tot war. Sie küßten das liebe Kind und sagten zu Loge:

»Danke, Loge, danke tausendmal. Sie sind gut, Loge. Sie haben uns gut geholfen und jetzt sind wir froh, sehr froh, denn wir haben den Knaben, den lieben Knaben, und der Riese kann ihn nie mehr nehmen.«