Thursday, July 14, 2016

FABELN - von Christian Fuerchtegott Gellert



Christian Fürchtegott Gellert ( 1715 -  1769 )



Christian Fürchtegott Gellert  war ein deutscher Dichter und Moralphilosoph der Aufklärung und galt zu Lebzeiten neben Christian Felix Weiße als meistgelesener deutscher Schriftsteller.

WERKE

Gellert begann mit der Publikation seiner literarischen Werke bereits während seiner Studienzeit. Einen Höhepunkt erreichte sein Schaffen in den Jahren 1740–1750. Seine Werke – besonders seine Fabeln – zählten in der Übergangszeit zwischen Aufklärung, Empfindsamkeit und Sturm und Drang zu den meistgelesenen in Deutschland.

Durch seine breite Wirkung trug er zur Bildung eines allgemeinen Lesepublikums in Deutschland bei und ebnete so den Weg für die Dichter der folgenden Generationen. Seine Lustspiele brachten erstmals bürgerliche Figuren und deren Milieu auf die Bühnen; der Roman Leben der schwedischen Gräfin von G*** hatte die Ethik bürgerlicher Moral zum Gegenstand und war Wegbereiter des Romans in Deutschland.[6] Gotthold Ephraim Lessing lobte besonders den Stil seines Briefwechsels, Christoph Martin Wieland erhob ihn zu seinem „Liebling“. Die Geistlichen Lieder und Oden wurden später von Carl Philipp Emanuel Bach, Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven (Sechs Gellert-Lieder Op. 48) vertont.

Gellert war zu seinen Lebzeiten als Professor und als Dichter außerordentlich beliebt (beispielhaft ist der Briefwechsel mit Christiane Karoline Schlegel, geb. Lucius) und kaum irgendwelcher Kritik ausgesetzt. Dies änderte sich sehr bald nach seinem Tod. Die Autoren des Sturm und Drang wollten ihn zu einem „mittelmäßigen“, moralinsauren Dichter „für Landpastorentöchter“ herabsetzen, wie sich 1771/1772 Jakob Mauvillon und Ludwig A. Unzer im fiktiven Briefwechsel Über den Werth einiger deutscher Dichter äußerten.

Neben zahlreichen Fabeln, die in zwei Bänden 1746 und 1748 erschienen, Erzählungen, Abhandlungen, Reden und Vorlesungen veröffentlichte er:

Die Betschwester (Lustspiel, 1745)
Das Los in der Lotterie (Lustspiel, 1746)
Die zärtlichen Schwestern (Lustspiel, 1747)
Das Leben der Schwedischen Gräfin von G*** (Roman, 2 Teile, 1747/48) (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Band 1, Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Band 2)
Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen (1751)
Geistliche Oden und Lieder (1757)
Die Biene und die Henne (Fabel, 1769)


LIEDER

Zu den bekanntesten Liedern Gellerts im Sinne der Aufklärungstheologie zählen:
Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre (u. A. von Beethoven vertont);
Du bist’s, dem Ruhm und Ehre gebühret (von Joseph Haydn vertont)
Dies ist der Tag, den Gott gemacht (Weihnachtslied, EG 42)
Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken (Passionslied, EG 91)
Jesus lebt, mit ihm auch ich (Osterlied, EG 115; GL 336 – Melodie von Albert Höfer)
Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht (EG 506; GL 463)
Mein erst Gefühl sei Preis und Dank (Morgenlied, EG 451)
Gott ist mein Lied (EG, Regionalausgabe Nordelbien 536)


EHRUNGEN 

Gedenktag: 13. Dezember im Evangelischen Namenkalender
Namenswidmung: Gellertstraße
Gellert-Museum Hainichen


Der 14-jährige Wolfgang Amadeus Mozart schrieb am 26. Januar 1770 an seine Schwester: „Neues weis ich nichts als das H: gelehrt, der poet zu leipzig gestorben ist, und dan nach seinen doth keine poesie mehr gemacht hat.“

quelle:

https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_F%C3%BCrchtegott_Gellert












SEMNON UND DAS ORAKEL 


Sein künftig Schicksal zu erfahren,
Eilt Semnon voll Begier zum delphischen Altar.
Die Gottheit weigert sich, ihm das zu offenbaren,
Was über ihn verhänget war.
Sie spricht: "Du wirst ein großes Glück genießen;
Doch wirds dein Unglück sein, sobald du es wirst wissen."
Ist Semnons Neugier nun vergnügt ?
Nichts weniger! Nur mehr wächst sein Verlangen.
"O Gottheit", fährt er fort, "wenn Bitten dich besiegt:
So laß mich größres Licht von meinem Glück empfangen !"
So traut der Mensch, und traut zugleich auch nicht.
Ein Semnon glaubt sein Glück, nicht, weils die Gottheit saget,
Nein, weil ers schon gewünscht, eh er sie noch gefraget.
Doch glaubt er auch, wenn sie vom Unglück spricht ?
O nein! Denn dieses wünscht er nicht.
Durch Klugheit denkt er schon das Unglück abzuwehren.
Kurz, Semnon läßt nicht nach, er will sein Schicksal hören.


"Du wirst", hub das Orakel an,
"Durch deines Weibes Gunst den Zepter künftig führen,
Und Völker, die dich dienen sahn,
Dereinst durch einen Wink regieren."

Gestärkt durch dieses Götterwort,
Eilt, der als Pilgrim kam, als Prinz in Hoffnung fort;
Mißt, ohne Land, im Geist schon seines Reiches Größen;
Und läßt schon, ohne Volk, sein Heer das Schwert entblößen.


Allein so froh er war: so war ers nicht genug;
Er weiß noch nicht, was er doch wissen wollte,
Die Zeit, in der sein Fuß den Thron besteigen sollte;
Die Ungewißheit wars, die ihn noch niederschlug.
"Und", sprach er, "wenn ich auch nun bald den Thron bestiegen,
Wie lange währt alsdann mein königlich Vergnügen ?"
Der kühne Zweifel treibt ihn an.
Zum delphischen Apoll sich noch einmal zu nahn.

"O Tor", versetzt Apoll, "euch Sterblichen zum Glücke,
Verbarg der Götter Schluß die Zukunft eurem Blicke.
So wisse denn: In kurzer Zeit
Schmückt dich des Purpurs Herrlichkeit;
Doch raubt die Hand, die dir den Thron gegeben,
Dir mit dem Throne bald das Leben."


Er tat darauf im Kriege sich hervor,
Und stieg, aus einem niedern Stande,
Zur höchsten Würd im Vaterlande,
Durch seine Tapferkeit empor.
Das ihm so günstige Geschicke
Erfüllte des Orakels Sinn;
Und Semnon ward, bei immer größerm Glücke,
Der Liebling seiner Königin.
Sie schenkt ihm Herz und Thron; doch ein verborgnes Schrecken
Läßt ihn das Glück der Hoheit wenig schmecken.
Sein reizendes Gemahl, das er halb liebt, halb scheut,
Erfüllt ihn halb mit Frost, und halb mit Zärtlichkeit.
Itzt wünscht er tausendmal, sein Schicksal nicht zu kennen,
Um so für sie, wie sie für ihn, zu brennen.
Sie merkt des Königs spröden Sinn,
Sie zieht ihn in Verdacht mit einer Buhlerin,
Sie gibt ihm heimlich Gift; er stirbt vor ihren Füßen.

Sagt, Menschen, ists kein Glück, sein Schicksal nicht zu wissen ?








DIE ZARTLICHE FRAU 


Wie alt ist nicht der Wahn, wie alt und ungerecht,
Als ob dir, weibliches Geschlecht!
Die Liebe nicht von Herzen ginge ?
Das Alter sang in diesem Ton,
Von seinem Vater hörts der Sohn,
Und glaubt die ungereimten Dinge.
Verlaßt, o Männer, diesen Wahn,
Und daß ihr ihn verlaßt, so hört ein Beispiel an,
Das ich für alle Männer singe.
Du aber, die mich dichten heißt,
Du, Liebe, stärke mich, daß mir ein Lied voll Geist,
Ein überzeugend Lied gelinge,
Und gib mir, zu gesetzter Zeit,
Ein Weib von so viel Zärtlichkeit,
Als diese war, die ich besinge !



Clarine liebt den treusten Mann,
Den sie nicht besser wünschen kann,
Sie liebt ihn recht von Herzensgrunde.
Und wenn dir dies unglaublich scheint:
So wisse nur, seit der beglückten Stunde,
Die sie mit ihrem Mann vereint,
War noch kein Jahr vorbei; nun glaubst dus doch, mein Freund ?
Clarine kannte keine Freude,
Kein größer Glück, als ihren Mann;
Sie liebte, was er liebgewann,
Was eines wollte, wollten beide;
Was ihm mißfiel, mißfiel auch ihr.
O, sprichst du, so ein Weib, so eines wünscht ich mir!
Jawohl! ich wünsch es auch mit dir.
Sei nur recht zärtlich eingenommen;
Ihr Mann wird krank; vielleicht kannst du sie noch bekommen.
Krank, sag ich, wird ihr Mann, und recht gefährlich krank;
Er quält sich viele Tage lang,
Von ganzen Strömen Schweiß war sein Gesicht umflossen;
Doch noch von Tränen mehr, die sie um, ihn vergossen.
"Tod !" fängt sie ganz erbärmlich an,
"Tod wenn ich dich erbitten kann,
Nimm lieber mich, als meinen Mann."
Wenns nun der Tod gehöret hätte ?
Jawohl ! Er hört es auch; er hört Clarinens Not,
Er kömmt, und fragt: "Wer rief ?"—"Hier !" schreit sie, "lieber Tod,
Hier liegt er, hier in diesem Bette !"








DIE WIDERSPRECHERIN


Lene hatte noch, bei vielen andern Gaben,
Auch diese, daß sie widersprach.
Man sagt es überhaupt den guten Weibern nach,
Daß alle diese Tugend haben;
Doch wenns auch tausendmal der ganze Weltkreis spricht:
So halt ichs doch für ein Gedicht,
Und sag es öffentlich, ich glaub es ewig nicht.
Ich bin ja auch mit mancher Frau bekannt,
Ich hab es oft versucht, und manche schön genannt,
So häßlich sie auch war, bloß, weil ich haben wollte,
Daß sie mir widersprechen sollte;
Allein sie widersprach mir nicht.
Und also ist es falsch, daß jede widerspricht.
So kränkt man euch, ihr guten Schönen!
Itzt komm ich wieder zu Ismenen.
Ismenen sagte mans nicht aus Verleumdung nach,
Es war gewiß, sie widersprach:


Einst saß sie mit dem Mann bei Tische,
Sie äßen unter andern Fische,
Mich deucht, es war ein grüner Hecht.
"Mein Engel", sprach der Mann, "mein Engel, ist mir recht:
So ist der Fisch nicht gar zu blau gesotten."
"Das", rief sie, "habe ich wohl gedacht,
So gut man auch die Anstalt macht:
So finden Sie doch Grund, der armen Frau zu spotten.
Ich sag es Ihnen kurz, der Hecht ist gar zu blau."
"Gut", sprach er, "meine liebe Frau,
Wir wollen nicht darüber streiten,
Was hat die Sache zu bedeuten ?"


So wie dem welschen Hahn, dem man was Rotes zeigt,
Der Zorn den Augenblick in Nas und Lefzen steigt,
Sie rot und blau durchströmt, lang auseinandertreibet,
In beiden Augen blitzt, sich in den Flügeln streibet,
In alle Federn dringt, und sie gen Himmel kehrt,
Und zitternd, mit Geschrei und Poltern, aus ihm fährt:
So schießt Ismenen auch, da dies ihr Liebster spricht,
Das Blut den Augenblick in ihr sonst blaß Gesicht;
Die Adern liefen auf, die Augen wurden enger,
Die Lippen dick und blau, und Kinn und Nase länger,
Ihr Haar bewegte sich, stieg voller Zorn empor,
Und stieß, indem es stieg, das Nachtzeug von dem Ohr.
Drauf fing sie zitternd an: "Ich, Mann! ich, deine Frau,
Ich sag es noch einmal, der Hecht war gar zu blau."
Sie nimmt das Glas und trinkt. O laßt sie doch nicht trinken !
Man streicht sie kräftig an; kein Balsam will sie stärken.
Man reibt ihr Schlaf und Puls; kein Leben ist zu merken.

Ihr Liebster geht, und sagt kein Wort,
Kaum aber ist ihr Liebster fort:
So sieht man sie in Ohnmacht sinken.
Wie konnt es anders sein. Gleich auf den Zorn zu trinken !
Ein plötzliches Geschrei bewegt das ganze Haus,
Man bricht der Frau die Daumen aus;
Man nimmt vermengtes Haar und hälts ihr vors Gesicht.
Umsonst! Umsonst! Sie riecht es nicht;
Nichts kann den Geist ihr wiedergeben.
Man ruft den Mann, er kömmt, und schreit: "Du stirbst, mein Leben !
Du stirbst? Ich armer Mann! Ach, meine liebe Frau,
Wer hieß mich dir doch widerstreben!
Ach, der verdammte Fisch! Gott weiß, er war nicht blau."
Den Augenblick bekam sie wieder Leben.
"Blau war er", rief sie aus, "willst du dich noch nicht geben ?"

So tat der Geist des Widerspruchs
Mehr Würkung, als die Kraft des heftigsten Geruchs.






DIE SCHLAUEN MADCHEN


Zwei Mädchen brachten ihre Tage
Bei einer alten Base zu.
Die Alte hielt zu ihrer Muhmen Plage
Sehr wenig von der Morgenruh.
Kaum krähte noch der Hahn bei frühem Tage:
So rief sie schon: "Steht auf, ihr Mädchen, es ist spät,
Der Hahn hat schon zweimal gekräht."
Die Mädchen, die so gern noch mehr geschlafen hätten,
Denn überhaupt sagt man, daß es kein Mädchen gibt,
Die nicht den Schlaf und ihr Gesichte liebt,
Die wunden sich in ihren weichen Betten,
Und schwuren dem verdammten Hahn
Den Tod, und taten ihm, da sie die Zeit ersahn,
Den ärgsten Tod rachsüchtig an.

Ich habs gedacht, du guter Hahn !
Erzürnter Schönen ihrer Rache
Kann kein Geschöpf so leicht entfliehn.
Und ihren Zorn sich zuzuziehn,
Ist leider ein leichte Sache.


Der arme Hahn war also aus der Welt.
Vergebens nur ward von der Alten
Ein scharf Examen angestellt.
Die Mädchen taten fremd, und schalten
Auf den, der diesen Mord getan,
Und weinten endlich mit der Alten
Recht bitterlich um ihren Hahn.

Allein was halfs den schlauen Kindern ?
Der Tod des Hahns sollt ihre Plage mindern,
Und er vermehrte sie noch mehr.
Die Base, die sie sonst nicht eh im Schlafe störte,
Als bis sie ihren Haushahn hörte,
Wußt in der Nacht itzt nicht, um welche Zeit es wär;
Allein weil es ihr Alter mit sich brachte,
Daß sie um Mitternacht erwachte:
So rief sie die auch schon um Mitternacht,
Die, später aufzustehn, den Haushahn umgebracht.



Wärst du so klug, die kleinen Plagen
Des Lebens willig auszustehn:
So würdest du dich nicht so oft genötigt sehn,
Die größern Übel zu ertragen.






DIE REISE 


Einst machte durch sein ganzes Land
Ein König den Befehl bekannt,
Daß jeder, der ein Amt erhalten wollte,
Gewisse Zeit auf Reisen gehen sollte,
Um sich in Künsten umzusehn.
Er ließ genaue Karten stehen,
Und gab dazu noch jedem das Versprechen,
Ihm, würd er nur, soweit er könnte, gehn,
Mit dem Vermögen seiner Schätze
Alsdann auf Reisen beizustehn.
Es war das deutlichste Gesetze,
Das jemals noch die Welt gesehn;
Doch weil die meisten sich vor dieser Reise scheuten:
So sah man viele Dunkelheit.
Die Liebe zu sich selbst, und zur Bequemlichkeit,
Half das Gesetz sehr sinnreich deuten;
Und jeder gab ihm den Verstand,
Den er bequem für seine Neigung fand;
Doch alle waren eins, daß man gehorchen müßte.
Man machte sich die Karten bald bekannt,

Damit man doch der Länder Gegend wüßte.
Sehr viele reisten nur im Geist,
Und überredten sich, als hätten sie gereist.
Noch andre schafften das Geräte
Zu ihrer Reise fleißig an,
Und glaubten, wenn man nur stets reisefertig täte:
So hätte man die Reise schon getan.
Sehr viele fingen an zu eilen,
Als wollten sie die ganze Welt durchgehn;
Sie reisten; aber wenig Meilen,
Und meinten, dem Befehl sei nun genug geschehn.
Noch andre suchten auf den Reisen
Noch mehr Gehorsam zu beweisen,
Als den, den das Gesetz befahl;
Sie reisten nicht durch grüne Felder,
O nein, sie suchten finstre Wälder,
Und reisten unter Furcht und Qual;
Behängten sich mit schweren Bürden,
Und glaubten, wenn sie ausgezehrt,
Und siech und krank zurückekommen würden:

So wären sie des besten Amtes wert;
Sie reisten nie auf Kosten des Regenten;
Doch jene, die zur Zeit noch keinen Schritt getan,
Die hielten Tag für Tag um Reisekosten an,
Damit sie weiterkommen könnten.


Wie elend, hör ich manchen klagen,
Ist nicht dies Märchen ausgedacht !
Schämt sich der Dichter nicht, uns Dinge vorzusagen,
Die man kaum Kindern glaublich macht ?
Wo gibt es wohl so stumpfe Köpfe,
Als uns der Dichter vorgestellt ?
Dies sind unsinnige Geschöpfe,
Und nicht Bewohner unsrer Welt.
O Freund! was zankst du mit dem Dichter ?
Sieh doch die meisten Christen an;
Betrachte sie, und dann sei Richter,
Ob dieses Bild unglaublich heißen kann ?







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